Mit steigendem Alter nimmt die Häufigkeit der Pflegebedürftigkeit exponentiell zu. Mit der Alterung der Gesellschaft und der daraus resultierenden steigenden Zahl von Hochbetagten werden die Ausgaben für die Alterspflege stark wachsen. Für ihre Finanzierung geht der Bundesrat davon aus, dass bis 2045 eine Erhöhung der Steuern um zwölf Prozent nötig wird und sich der Anteil der Krankenkassenprämien für den Bereich der Alterspflege verdoppelt.

Sowohl Steuern wie Krankenkassenprämien setzen starke finanzielle Transfers von den Erwerbstätigen zu den Pflegebedürftigen voraus. Die Anzahl der über 80-Jährigen nimmt in den nächsten zwanzig Jahren in der Schweiz deutlich zu, nämlich um 86 Prozent. Zugleich steigt die Anzahl der Personen im Erwerbsalter nur um sieben Prozent. Will man den Hochbetagten gleich viele Ressourcen für die Alterspflege wie heute widmen, steht die aktive Bevölkerung vor grossen finanziellen Herausforderungen.

Zudem nimmt mit steigender Lebenserwartung die Bedeutung chronischer Krankheiten zu. Gemäss Schätzungen des Bundesrats treten weniger als fünf Prozent der Todesfälle plötzlich ein. In 50 bis 60 Prozent der Fälle geht dem Tod eine schwere, fortschreitende Krankheit (z.B. Krebs) von zwei bis drei Jahren voraus; mit einer Demenz von acht bis zehn Jahren muss in 30 bis 40 Prozent der Fälle gerechnet werden. Deshalb und aufgrund des anstehenden finanziellen Drucks auf die Erwerbsbevölkerung drängen sich neue Finanzierungsformen der Alterspflege auf.

Für die Pflege der Hochbetagten muss die aktive Bevölkerung steigende Ressourcen zur Verfügung stellen. (Fotolia)

Anreize durch Finanzierungsform

Die heutige Finanzierung gestaltet sich komplex: Zahlreiche Schnittstellen zwischen Patienten, Krankenkassen und Staat sowie unterschiedliche Beiträge für Spitex- und Pflegeheimleistungen erschweren die Kostentransparenz und setzen Fehlanreize. Als Alternative stellte der Bundesrat 2016 die Einführung einer separaten Pflegeversicherung im Umlageverfahren in Aussicht. Analog zur AHV würden die in einem Jahr erhobenen Beiträge die Ausgaben des entsprechenden Jahres decken. Diese Finanzierungsform könnte zwar die Anzahl Schnittstellen reduzieren, sie würde jedoch weiterhin hohe Transfers von Jung zu Alt verursachen. Als Alternative dazu schlägt Avenir Suisse die Bildung eines individuellen Pflegekapitals vor. Die Versicherten würden demnach monatlich eine Kopfprämie auf ein gesperrtes Konto einzahlen. Ähnlich wie in der beruflichen Vorsorge würde das ersparte Geld am Kapitalmarkt investiert und erst im Pflegefall gebraucht. Nicht verwendete Ersparnisse würden im Todesfall vererbt. Dies honoriert die Unterstützung der Angehörigen, motiviert zum schonenden Umgang mit Ressourcen und stärkt die Eigenverantwortung. In allen drei Modellen soll die Finanzierung für einkommensschwache Personen solidarisch durch den Staat sichergestellt werden, damit alle ein Alter in Würde geniessen können.

Generationengerechte Versicherungspflicht

Wer Pflegeleistungen definiert bzw. in Anspruch nimmt, sollte auch finanziell dafür geradestehen. Doch mit der heutigen Finanzierung müssen künftige Generationen die heutigen Entscheide finanzieren. Eine Beitragspflicht für die Pflegeversicherung bzw. für das Pflegekapital ab einem gewissen Alter könnte helfen, diese Ungerechtigkeit zu reduzieren. Die Altersgrenze sollte so hoch wie möglich gesetzt werden, um die Gruppen der Finanzierenden und der Leistungsbezüger besser im Einklang zu bringen, aber so tief wie möglich, um die Kosten auf eine breitere Basis zu verteilen. Avenir Suisse schlägt das Alter 55 vor. Damit könnten jüngere Versicherte und Familien, die tendenziell stärker unter finanziellem Druck stehen, entlastet werden. Im Jahr 2015 waren vier von fünf Personen, die individuelle Prämienverbilligungen bezogen, jünger als 55 Jahre.

Weniger Bürokratie

Die Beiträge des Staates und der Krankenkassen decken heute nur die Pflege im engeren Sinne ab. Betreuungsaktivitäten, wie beispielsweise Pflegeheimbewohner zum Speisesaal oder beim Spaziergang zu begleiten, müssen privat bezahlt werden. Diese Trennung zwischen Pflege und Betreuung wirkt für viele künstlich. Zudem bedingt die Trennung eine akribische Erfassung durch das Personal, wodurch wertvolle Ressourcen und damit Zeit für die Patienten verloren gehen. Der Leistungsumfang der Pflegefinanzierung sollte deshalb sowohl die Pflege als auch die Betreuung umfassen.

Die dargestellten Varianten bilden lediglich Verteilungsmechanismen der Pflegekosten ab. Die Kosten per se bleiben bei allen Varianten identisch. Höchstens die Einführung des Pflegekapitals könnte Anreize für einen schonenden Umgang mit knappen Ressourcen setzen. Die Wahl der passenden Finanzierungsform, des Alters für die Versicherungspflicht und des Leistungsumfangs der Pflegefinanzierung dienen also primär einer besseren Berücksichtigung der Bedürfnisse der Pflegebedürftigen, des Pflegepersonals und der künftigen Generationen. Das tönt banal, erfordert jedoch eine wichtige politische Weichenstellung.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe vom Juni 2017 der Zeitschrift «Konsumentenstimme» von comparis.ch erschienen.