Zwei Dinge gehören immer zu einem Staat: Die Aussen- und die Sicherheitspolitik. Das sollten wir in der Schweiz heute wieder vermehrt berücksichtigen – besonders angesichts der Umwälzungen in Nordafrika und im Nahen Osten, der Atombewaffnungsdebatte im Iran, aber auch angesichts unserer Erfahrungen mit der Libyen-Geiselaffäre und dem Steuerstreit. Die sicherheitspolitischen Herausforderungen für unser Land sind mannigfaltig. Anstelle einer konkreten Bedrohung, für die bisher relativ eindimensionale Reaktionsmodelle besonders im Bereich der Streitkräfte ausreichten, gibt es heute eine ganze Palette möglicher Chancen und Risiken. Das Wissen um diese Tatsache sollte den gedanklichen Hintergrund für die Diskussion über die langfristige strategische Ausrichtung der Schweizer Armee bilden.

Solange keine fundamentale Neuorientierung der Schweizer Sicherheitspolitik – etwa mit markant stärkerer internationaler Einbindung und geringerer nationaler Leistungsfähigkeit – mehrheitsfähig wird, braucht die Schweiz eigenständige Streitkräfte. Die Aufgaben und Aufträge der Armee als Machtmittel der Sicherheitspolitik müssen aber zeitgemäss definiert werden. Dabei sollten folgende sieben Grundsätze beachtet werden:

  1. Sicherheitspolitik ist ein professionelles Risikomanagement auf Stufe Staat. Unsere diesbezügliche Strategie konzentriert sich auf die gefährlichsten Risiken, deckt die wahrscheinlichsten aus dem Stand ab und nimmt Restrisiken in Kauf.
  2. Die Tradition unserer staatspolitischen Maximen wird auf absehbare Zeit nicht nur die sicherheitspolitische Strategie, sondern auch unsere Streitkräftekonzeption prägen. Dazu gehören die Fähigkeit zur Verteidigung aus eigener Kraft und die Milizarmee in Form des Volksheeres, basierend auf der allgemeinen Wehrpflicht.
  3. Streitkräfte sind gestaltbar; für die Schweiz sind mittelfristig die gegenwärtige Milizarmee oder eine deutlich kleinere Berufsarmee mögliche Modelle. Letztere wäre nur im Rahmen eines Bündnisses vorstellbar. Mittelwege sind Übergangslösungen, verunsichern und haben nur mässige Aussichten auf Erfolg.
  4. Wir brauchen in der Diskussion über unsere Streitkräfte eine Verknüpfung von Aufgaben und Finanzen. VBS und Bundesrat sind gehalten, die diesbezüglichen Bedürfnisse exakt und einleuchtend zu begründen und darauf aufbauend die Investitionsplanung der Armee fähigkeitsorientiert darzulegen.
  5. Die Schweizer Armee muss aufrüsten, um wieder ein mittleres Technologieniveau zu erreichen. Auch die Strategie einer Reduktion auf Kernkompetenzen mit Aufwuchsfähigkeit setzt voraus, dass die Verteidigungskompetenz weiterhin alle Grundfunktionen einer Streitkraft des 21. Jahrhunderts umfasst.
  6. Die Armee braucht ausreichende Finanzen. Der gültige dreigliedrige Armeeauftrag, der verfassungsmässige Rahmen von Milizarmee und Wehrpflicht sowie das heute erkennbare Leistungsspektrum bedingen einen Finanzrahmen von rund 5 Mrd. Fr.
  7. Jede Weiterentwicklung erfolgt fähigkeitsorientiert und bedarf der Zustimmung des Parlaments. Auf Basis der vom Parlament verabschiedeten Leitsätze braucht es Mehrjahrespläne zu den Entwicklungen von Fähigkeiten, zur Organisation, zur Doktrin und zu den dazu notwendigen Investitionen.

Kurz: Die beste Schweizer Sicherheitspolitik ist jene, die aktuelle sowie künftige Bedrohungen und Gefahren von Land, Volk und Staat abwenden kann oder aufgrund zeitgemässer Strategien imstande ist, sie zu meistern.

 

Zum Autor: Daniel Heller, promovierter Historiker, ist freisinniger Fraktionschef im Grossen Rat des Kantons Aargau und Partner bei Farner Consulting AG. Daneben ist er langjähriger Militärpublizist für den Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft.