Er tritt demnächst von seinem Amt zurück, aber er kam noch als Präsident der Tschechischen Republik in die Schweiz, die er als «ruhige Insel in der stürmischen See der Unifizierung Europas» lobt. Doch Vaclav Klaus kam nicht auf Staatsbesuch, sondern zu einem von Avenir Suisse und dem Efficiency Club Zürich im Grandhotel Dolder organisierten Abendlichen Gespräch. Der Staatsmann bewies dabei einmal mehr, was ihm der isländische Ministerpräsident nachsagte: «Er ist nicht immer politisch korrekt, aber immer korrekt politisch.
«Es gibt in Europa nur Bewohner»
Was Vaclav Klaus von der europäischen Einigung und von der globalen Klimaerwärmung hält, nämlich ziemlich wenig, können alle Tschechen aufgrund seiner Reden und Bücher wissen. Trotzdem, betonte der Staatspräsident, schaffte er zweimal, 2003 und 2008, die Wahl. Auch in seinem aktuellen Buch, das er in Zürich vorstellte, hält er sich mit widerborstiger Kritik nicht zurück. «Europa braucht Freiheit» heisst es in der deutschen Ausgabe schlicht. Über den englischen Titel, «Europe: The Shattering of Illusions», lachte Vaclav Klaus dagegen: «Ich habe mir zu Europa nie Illusionen gemacht.»
Er verstehe sich als Prager, als Tscheche, allenfalls auch als Mitteleuropäer, sagte der Staatspräsident in der Diskussion mit dem Publikum. Aber er habe nur einmal am Skilift in Vail einem jungen Amerikaner gesagt: «Ich komme aus Europa.» Den Menschen in Portugal fühle er sich kaum viel stärker verbunden als jenen in Madagaskar; eine europäische Identität lasse sich nicht herbeizwingen: «Ich bin ein Bürger der Tschechischen Republik, nicht ein Bürger Europas.» Als Grundproblem der EU sah er denn auch: «Es gibt in Europa keinen Demos, nur Bewohner.»
Auch die Schweiz brauchte Jahrhunderte
Immerhin zeige die Schweiz, dass sich unterschiedliche Ethnien, Religionen und Mentalitäten in einer Willensnation vereinen liessen, wandte Gesprächsleiter Gerhard Schwarz ein. Davon liess sich Vaclav Klaus aber nicht überzeugen: Ein solcher Prozess dauere Jahrhunderte, meinte er. Eine Studie zeige, dass die Vereinigten Staaten 140 Jahre und einen Bürgerkrieg brauchten, um auch nur einen optimalen Währungsraum zu schaffen, und Italien bleibe auch nach 150 Jahren Währungsunion zwischen Norden und Süden ökonomisch wie mental tief gespalten.
Umgekehrt beweise das Beispiel der Tschechoslowakei, dass sich Währungsunionen «ohne katastrophale Kosten» auflösen liessen: In der Nacht auf den 8. Februar 1993 gaben die beiden neuen Republiken Tschechien und Slowakei die bis dahin gemeinsame Währung auf. «Wir hatten Angst», gestand Vaclav Klaus, der als Ministerpräsident Tschechiens die Trennung vollzog, was er, wie er sagte, als Ehemann einer Slowakin nur widerwillig tat. Die Trennung nützte aber beiden Ländern, der Slowakei als dem schwächeren sogar mehr. «Und die Slowakei machte 30 Prozent des tschechoslowakischen BIP aus», betonte der Staatsmann. «Griechenland trägt nur 2 Prozent zum BIP der EU bei.» Griechenland als «Opfer» müsse deshalb austreten können, und andere Länder müssten folgen – so politisch unkorrekt, dass er Namen nannte, gab sich der provozierende Präsident aber doch nicht.
Warum in der EU bleiben?
Weshalb die Tschechische Republik denn in der EU bleibe, fragte ein Gast. Vaclav Klaus erinnerte daran, dass er 1994 persönlich das Beitrittsgesuch nach Brüssel brachte. «Wir hatten damals keine Wahl», sagte er, «und heute wäre es noch schwieriger: Sollen wir uns mit Serbien und Weissrussland zusammentun?» Er beurteilte die erste Hälfte der europäischen Einigung mit ihren Liberalisierungen auch positiv; seit den Maastricht-Verträgen für die Währungsunion hätten sich aber Zentralisierung, Regulierung und Homogenisierung durchgesetzt. «Wir stecken in einer Sackgasse», stellte Vaclav Klaus fest. «Und in einer Sackgasse gibt es nur den Weg zurück – zurück zu den wahren Wurzeln Europas.»
Sie können die Zürcher Rede von Vaclav Klaus auch auf seiner Website nachlesen.