Für den Fiskus sind Liegenschaften Objekte der Begierde. Selbst hinter hohen Hecken versteckt entgehen sie selten dem Blick des Steueramtes. Seit 2001 ist der Ertrag aus der Besteuerung des Eigenmietwertes um das Vierfache gestiegen. Trotzdem wird die Bedeutung der Immobilien für das Steueraufkommen überschätzt.

Für den Fiskus sind Liegenschaften Objekte der Begierde. Selbst hinter hohen Hecken versteckt entgehen sie selten dem Blick des Steueramtes. Nicht von ungefähr war die «hearth tax», die Herdsteuer, eine der ältesten und wichtigsten Waffen im Steuerarsenal des englischen Königshauses. Im 17. Jahrhundert war es einfacher, Kamine zu zählen als Köpfe.

Heute kann der Staat zwar besser zählen; dennoch bleiben Häuser, weil unbeweglich und wertvoll, als Basis für Steuern und Abgaben beliebt. Diese reichen von Gebühren für Baubewilligungen und Notare bis hin zu Steuern ohne direkte Gegenleistung, wie die Vermögenssteuer, die Grundstücksgewinnsteuer oder die Besteuerung des Eigenmietwertes.

Liegenschaftssteuern: Ist der Staat süchtig nach Immobilienerträgen?

Rasanter Anstieg der Steuern seit 2001

Wie wichtig sind denn die verschiedenen Immobiliensteuern für die öffentlichen Finanzen? Ist der Staat, nach vielen Jahren steigender Immobilienpreise, danach «süchtig» geworden? Mit der hiesigen, spärlichen Datenlage lässt sich die Frage nicht unmittelbar beantworten. Angaben zum Eigenmietwert und dem damit verbundenen Steuerertrag sind nur sporadisch vorhanden. Ist man aber bereit, einige einfache (und gut abgestützte) Annahmen zu treffen – z. B. ein mittlerer Grenzsteuersatz der Einkommenssteuer von 25% und ein Steuerwert der Immobilien von 70% des Marktwertes –, lässt sich die nebenstehende Grafik zeichnen.

Nach dieser Schätzung haben 2011 die liegenschaftsbezogenen Steuereinnahmen mit 9 Mrd. Fr. einen Höchststand erreicht. 4 Mrd. Fr. – gut 45% aller immobilienbezogenen Steuern – stammen aus der Eigenmietwertbesteuerung. Seit 2001 ist der Anstieg rasant: Die Steuereinnahmen haben sich real verdoppelt, die Einkünfte aus der Besteuerung des Eigenmietwertes vervierfacht. Die Differenz zur ersten Hälfte der 1990er Jahre – als die Schweiz eine schwere Immobilienkrise durchlief – ist gross. Damals war die Steuerrechnung der Eigenheimbesitzer negativ: Sie konnten mehr Hypothekarzinsen abziehen, als sie an Eigenmiete erwirtschafteten. Dank der Eigenmietbesteuerung und der Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen liess sich damit der rasche Anstieg der Hypothekarzinsen abfedern.

Zwanzig Jahre später hat sich das Blatt vollständig gewendet. Die Hypothekarzinsen sind stark gefallen: So zahlten die Schweizer Haushalte 2011 nur 10 Mrd. Fr. an Hypothekarzinsen, einen Klacks im Vergleich zu den (in heutigem Geld ausgedrückt) 29 Mrd. Fr. von 1991. Die (Eigen-)Mieteinnahmen der Haushalte sind hingegen von 30 auf 37 Mrd. Fr. gestiegen und damit die Steuerrechnung.

Die robuste Verfassung des Immobilienmarktes hat auch zur Ergiebigkeit weiterer immobilienbezogener Steuern beigetragen. Der rege Liegenschaftshandel schenkt bei den achtzehn Kantonen ein, die eine Handänderungssteuer erheben. Insgesamt haben die Einnahmen aus Vermögens- und Transaktionssteuern seit 2001 real um 50% zugenommen. Könnten die öffentlichen Finanzen einen Rückgang der Immobilienpreise verkraften?

In einer von einem starken Anstieg der Hypothekarzinsen begleiteten Immobilienkrise (nach wie vor ein mögliches Szenario) würde die stabilisierende Wirkung der Eigenmietwertbesteuerung die privaten Haushalte entlasten, nicht jedoch die öffentlichen. Wie die Grafik zeigt, hat die Abhängigkeit zugenommen. Die immobilienbezogenen Steuern machen immer noch «bloss» 7% aller Steuereinnahmen aus.

Löhne wichtiger als Mieten

Dieser geringe Anteil zeigt nicht so sehr eine tiefe Steuerbelastung der Liegenschaften, als vielmehr die oft übersehene Tatsache, dass volkswirtschaftlich gesehen die Immobilienerträge im Vergleich zu den Löhnen von zweitrangiger Bedeutung sind – und dies trotz der vermeintlichen, naturgegebenen «Knappheit» des Bodens und dem beschränkten Angebot an Bauland. Die Schweiz des 21. Jahrhunderts ist nicht wie das England des 17. Dank der gestiegenen Produktivität machen nicht mehr die Mieten und Pachten den grössten Teil der Wertschöpfung aus, sondern die Löhne. Und solange das so bleibt, ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt weit wichtiger für die Staatsfinanzen als jene auf dem Immobilienmarkt.

Dieser Artikel erschien in NZZ Domizil vom 16. August 2013.
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.