Aktuelle Konjunkturdaten und -indikatoren vermitteln ein relativ optimistisches Bild der wirtschaftlichen Entwicklung. Auf den Energie- und Bondmärkten hingegen gibt es deutliche Anzeichen einer kommenden Konjunkturabkühlung. 

Weil zwischen Konjunktur und Energieverbrauch ein relativ enger Zusammenhang besteht, kann der Preis für künftig gelieferte Energie als alternativer Konjunkturindikator angesehen werden. Besonders interessant ist derzeit ein Blick auf den Strom-Terminmarkt der EEX. Erst vergangenen März verteuerte sich der für das Jahr 2012 gehandelte Strom für das Marktgebiet Deutschland sprunghaft von knapp 52 €/MWh auf über 60 €/MWh. Der sehr deutliche Preisanstieg war eine direkte Folge des von der deutschen Regierung angekündigten Atomausstiegs und der damit zusammenhängenden sofortigen Stilllegung der ältesten Anlagen.

Seither aber sinkt der Preis am Terminmarkt wieder kontinuierlich und liegt derzeit nur noch knapp über dem Niveau vor der Ausstiegsankündigung. Dies kann auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt werden:

  • Erstens wäre es möglich, wie erst jetzt bekannt wurde, dass im Jahr 2012 bedeutende neue Produktionskapazitäten ans Netz gehen werden und die geringeren Kernkraftkapazitäten kompensieren. Wegen des relativ grossen Zeitbedarfs für die Projektierung und den Bau neuer Kraftwerke ist diese These aber unwahrscheinlich.
  • Zweitens kann der gesunkene Strompreis auch ein Resultat tieferer Erdgaspreise sein. Häufig sind es die variablen Kosten der Gaskraftwerke, welche im Stromgrosshandel den Preis bestimmen. Ein Blick auf den Gas-Terminmarkt der EEX bestätigt diese These mindestens ansatzweise.
  • Damit zusammen hängt der dritte Erklärungsansatz: Sowohl der niedrigere Gaspreis als auch der gesunkene Strompreis für 2012 können das Resultat einer veränderten Verbrauchsprognose sein. Die Erwartung einer tieferen – vor allem industriellen – Gas- und Stromnachfrage ist nichts anderes als die Erwartung einer schwächeren Konjunktur.

Die Zinskurven von Staatsanleihen sprechen eine ähnliche Sprache: Obwohl gegenwärtig angesichts der massiven Liquiditätszufuhr durch die Notenbanken viele Marktbeobachter immer wieder die Gefahr einer anziehenden Inflation betonen, deuten die Bondmärkte eher auf eine gegenteilige Entwicklung. In der Schweiz sind die Renditen von Bundesobligationen zwischen Frühjahr und Sommer 2011 über alle Laufzeiten gefallen (siehe Grafik). 10-jährige Bundesobligationen rentierten beispielsweise Mitte April noch mit 2%, während sie Mitte August nur noch knapp halb so viel abwarfen. Ähnliche Trends lassen sich für 10-jährige US-Treasury Bonds und in Euro denominierte deutsche Staatsanleihen beobachten.

Sinkende Renditen weisen in der Regel auf tiefe Inflationserwartungen aufgrund einer sich abkühlenden wirtschaftlichen Entwicklung hin. Daraus lässt sich schliessen, dass am Strommarkt mit dem Bondmarkt übereinstimmende Erwartungen hinsichtlich der zu erwartenden Konjunktur gebildet werden. Zudem illustriert die Entwicklung am Energiemarkt die Intensität der Erwartungsveränderungen: Der durch die Abschaltung der älteren Kernkraftwerke verursachte deutliche Preisanstieg wurde durch die eingetrübte Konjunkturerwartung fast gänzlich kompensiert.