Auf den ersten Blick bringt der starke Franken den Schweizer Exportunternehmen nur Nachteile: Die Aufwertung des Frankens verteuert ihre Produkte und Dienstleistungen im Ausland. Dies wirkt sich negativ auf Nachfrage und Gewinnmargen aus. Es sei der (zu) hohe Preis einer eigenen Währung, hört man deshalb oft.

Eine solche Betrachtung lässt die internationale Fragmentierung der Wertschöpfungsketten vieler Branchen ausser Acht. Die Schweizer Exportunternehmen exportieren nicht nur, sondern sie importieren auch zahlreiche Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland – sogenannte Vorleistungen. Damit profitieren sie auch vom starken Franken. Je nach Branche reicht das Spektrum von Rohmaterialien bis hin zu fast fertigen Produkten, die in der Schweiz zu Endprodukten oder wiederum zu Vorleistungen für das Ausland weiterverarbeitet werden. Auf die Veredelung am Ende der Wertschöpfungskette haben sich viele Schweizer Unternehmen spezialisiert. Über 40% der Schweizer Exporte gehören gemäss OECD zu den Hightech-Produkten. Das ist im internationalen Vergleich ein Spitzenwert.

Knapp 30 Prozent Vorleistungsimporte

Je mehr Vorleistungen ein Exportunternehmen importiert, desto eher kann es den Preisdruck des starken Frankens auf der Exportseite kompensieren. Neben dem erwähnten Anteil ausländischer Vorleistungen an den Exporten (backward participation der Schweiz: 28%) fliesst in eine Gesamtsicht aber auch der Anteil Vorleistungen ein, die ein Land zu den Exporten anderer Länder beisteuert (forward participation; Schweiz: 24%). Zusammengezählt ergibt dies für die Schweiz eine internationale Verflechtung von 52%. Trotz ihrer Kleinheit und Offenheit liegt sie damit nur im Mittelfeld einer Auswahl von OECD-Staaten und Schwellenländern wie Brasilien, Russland, Indien und China: Sie belegt Rang 23 von 57 untersuchten Ländern. Bei der sogenannten backward participation liegt sie auf Platz 31, bei der forward participation auf Platz 19 – die Schweiz steuert demnach einen grösseren Anteil Vorleistungen zu den Exporten anderer Länder bei, als sie von solchen bezieht.

Der Anteil der ausländischen Wertschöpfung an den Schweizer Produkten weicht aber je nach Branche stark vom Durchschnitt von 28% ab (siehe Abbildung). Dieser liegt in den Bereichen Textilien, Chemie und Pharma sowie Transportmittel (Rollmaterial und Ausrüstung) bei über 40%, in der Maschinenindustrie, der Elektronik und Optik sowie der Metallindustrie bei über 30%.

Wie aber wirkt sich der starke Franken tatsächlich auf den Schweizer Exporthandel aus? In welchem Umfang können sich die Unternehmen durch den Vorleistungsimport gegen Währungsschwankungen absichern? Diese Fragen wurden im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) untersucht.1) Die Studie kommt zum Schluss, dass eine Aufwertung des Frankens die Exporttätigkeit insgesamt stark einschränkt: Steigt sein Wert um 10% gegenüber der Währung einer Exportdestination, nimmt das Exportvolumen – je nach Datenbasis – durchschnittlich um 3% bis 7% ab. Zudem sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Firma ein Produkt überhaupt exportiert, um etwa einen Prozentpunkt.

Zudem untersuchten die Autoren den Einfluss der importierten Vorleistungen auf die Exporttätigkeit. Das Resultat entspricht der Vermutung: Die günstigeren Vorleistungen kompensieren die Nachteile auf der Importseite massgeblich. So erhöht sich bei einer Aufwertung um 10% die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen ein Produkt überhaupt exportiert, um durchschnittlich einen Prozentpunkt. Der im letzten Abschnitt erwähnte Rückgang wird also durch internationale Verflechtung zumindest zum Teil wettgemacht. Eine Kompensation des wegfallenden Exportvolumens konnten die Autoren in der Gesamtsicht hingegen nicht nachweisen.

Aber eine besonders starke Verflechtung kann Firmen bei einer Aufwertung des Frankens nicht nur vor einem Exporteinbruch bewahren, sondern das Ausfuhrvolumen sogar steigern. Den stärksten Einfluss auf die Exportwahrscheinlichkeit hat aber die Frage, ob ein Unternehmen vor einer Aufwertung bereits auf dem betreffenden Markt präsent war. Dies deutet laut den Autoren der Studie auf hohe Markteintrittskosten hin: Werden Unternehmen durch den starken Franken aus dem Exportmarkt gedrängt, benötigen sie eine überproportionale Abwertung, um nach einer Erholung wieder einzutreten.
Dass sich die Fragmentierung globaler Wertschöpfungsketten in den vergangenen Jahren intensiviert hat, ist also eine gute Nachricht für die Stabilität von Handelsbeziehungen. Diese bietet – neben klassischen Absicherungsmöglichkeiten wie Termin- und Options-Geschäften – einen «natürlichen» Schutz gegen die Aufwertung.

1)Fauceglia, Dario et al. (2014): Backward Participation in Global Value Chains and Exchange Rate Driven Adjustments of Swiss Exports. Strukturberichterstattung Nr. 53/2. Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft, Seco. Online unter: e

Zusammenfassung der Studie: Die Volkswirtschaft 12/2014, S. 16-17.