Die Debatte um eine Verteuerung der Vignette von 40 Fr. auf 100 Fr. wird leidenschaftlich geführt, ist jedoch punkto Verkehrsfinanzierung eher ein Nebenkriegsschauplatz. Zunächst einmal stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Autofahrer noch mehr zur Kasse gebeten werden sollten, als dies bisher der Fall war. Im Rahmen einer im September 2013 veröffentlichten Studie zum Mobility Pricing hat sich Avenir Suisse unter anderem für eine höhere Benutzerfinanzierung im Strassenverkehr ausgesprochen. Die dahinter stehenden Überlegungen sollen hier kurz dargelegt werden.

Mehr Benutzerfinanzierung auch auf den Strassen | Avenir Suisse

Gemäss der Transportrechnung des Bundes beträgt der Kostendeckungsgrad des Strassenverkehrs unter Berücksichtigung externer Kosten etwa 90%. Das ist deutlich mehr als im Schienenverkehr, liegt jedoch noch immer unter einer vollen Kostendeckung. Aus volkswirtschaftlicher Sicht liesse sich also eine moderate Erhöhung der Benutzerabgaben im Strassenverkehr durchaus rechtfertigen. Dies ist allerdings nur eine statische Betrachtung der heutigen Kosten. Die Hauptargumente für mehr Benutzerfinanzierung im Strassenverkehr ergeben sich hingegen aus einer dynamischen Betrachtungsweise.

Stark frequentierte Nationalstrassen

Während in den letzten zwanzig Jahren die Schweizer Bevölkerung um einen Fünftel und die Wirtschaftsleistung um einen Drittel wuchs, verdoppelten sich die auf Nationalstrassen gefahrenen Kilometer (+118%). Das Wachstum auf den Nationalstrassen war dabei deutlich stärker ausgeprägt als auf den Gemeinde- und Kantonsstrassen. Es verwundert kaum, dass die Staustunden auf den Nationalstrassen zwischen 2009 und 2012 um zwei Drittel zunahmen – auf 20‘000 Stunden pro Jahr (vgl. Abb.). Hauptgrund dafür waren nicht Unfälle oder Baustellen, sondern die Verkehrsüberlastung. Alleine schon zur Drosselung des Verkehrs- und Stauwachstums bräuchte es also höhere Preise für die Strassennutzer.

Dies bringt uns zum zweiten Teil der dynamischen Betrachtung, dem künftigen Investitionsbedarf. Durch das Verkehrswachstum der letzten Jahre wurden die noch vorhandenen Kapazitätsreserven im Nationalstrassennetz weitgehend aufgebraucht. Sollte das Wachstum anhalten, stünden uns in den nächsten Jahren enorme Kapazitätserweiterungen ins Haus. Allein für die Erweiterung des Nationalstrassennetzes bis 2030 werden 45 Mrd. Fr. veranschlagt. Um diese Investitionen zu finanzieren und durch die Drosselung des Verkehrswachstums teilweise auch zu vermeiden, braucht es höhere Benutzerabgaben im Strassenverkehr.

Lastenverteilung zwischen Strasse und Schiene

Die Interessenvertreter der Autofahrer kritisieren die Quersubventionierung des Bahnverkehrs durch die benutzerfinanzierten Steuern und Abgaben aus dem Strassenverkehr. Aufgrund der hohen externen Kosten des Strassenverkehrs macht ein gewisser Transfer Sinn. Die externen Kosten der Staus alleine wurden bereits 2005 auf 1,5 Mrd. Fr. pro Jahr geschätzt. Trotzdem ist der Umfang der Mittelabflüsse aus dem Strassenverkehr problematisch. Eine stärkere Eigenfinanzierung vor allem im öffentlichen Verkehr scheint dringend geboten – und diese hat Avenir Suisse wiederholt gefordert.

Paradoxerweise schafft aber gerade eine höhere Benutzerfinanzierung im öffentlichen Verkehr (ÖV) auch Bedarf für höhere Gebühren oder Abgaben in der Strassenfinanzierung. Der Grund ist einfach: Sowohl das Strassen- wie auch das Schienensystem stossen heute an ihre Kapazitätsgrenzen. Wenn man die Bahnfahrer überproportional belasten würde (was aus einer reinen Kostenbetrachtung Sinn machte), hätte dies eine massive Verkehrsverlagerung auf die Strasse zur Folge. Angesichts der dort bereits bestehenden Engpässe wäre ein Verkehrskollaps vorprogrammiert – und das würde vor allem den Autofahrern schaden.

Aus diesem Grund scheint es angebracht, die Benutzerabgaben für beide Verkehrsträger parallel zu erhöhen. Dies sollte jedoch aufkommensneutral erfolgen, d.h. durch reziproke Steuersenkungen an anderer Stelle kompensiert werden. Unterm Strich geht es nicht um eine Mehrbelastung der Bürger, sondern um eine fiskalisch neutrale Umschichtung der Verkehrsfinanzierung.

Geschlossener Finanzierungskreislauf Strasse

Längerfristig sollte eine stärkere Mittelbindung im Strassenverkehr sichergestellt werden. Einnahmen durch Steuern und Abgaben aus dem Strassenverkehr sollten auch diesem zu Gute kommen. Der vom Bundesrat geplante nationale Strassenfonds bietet eine Chance zur Etablierung eines geschlossenen Finanzierungskreislaufs für den Strassenverkehr. Vorbild hierfür könnte Österreich sein, wo die privatrechtlich organisierte, aber dem Staat gehörende Autobahnen- und Schnellstrassen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (Asfinag) das 2200 km lange Nationalstrassennetz betreibt und unterhält. Sämtliche Kosten hierfür werden durch Benutzerabgaben finanziert.