Die offizielle Schweiz freut sich immer, wenn unser Land im jährlichen Innovation Scoreboard der EU einen Spitzenplatz einnimmt. Dabei kommt die Rolle, die die industriellen, technologieorientierten «Multis» im schweizerischen Innovationsgeschehen spielen, immer etwas zu kurz.

Ihre Bedeutung zeigt sich etwa darin, dass von den 15,2 Mrd. Fr., die die Schweizer Unternehmen 2010 für Forschung und Entwicklung (F+E) ausgaben, rund 70% auf das Konto der Multinationalen, hauptsächlich der Pharma- und Chemieindustrie, gingen. Diese Unternehmen spielen auch im globalen F+E-System eine beachtliche Rolle – sie geben mit 15,8 Mrd. Fr. im Ausland sogar noch mehr aus als in der Schweiz. Daraus ergibt sich eine fruchtbare Wechselwirkung zwischen dem schweizerischen und dem globalen Wissenschaftssystem. Derzeit unterstützen bzw. finanzieren Multinationale rund 50 Professuren an Schweizer Hochschulen. Hinzu kommt, dass die grossen technologieorientierten Multinationalen mit eigenen Venture-Capital-Gesellschaften junge innovative Firmen in ihrem Umfeld finanziell unterstützen, beraten und häufig auch aufkaufen.

Firmensitz der nach FuE-Ausgaben grössten europäischen Unternehmen

Unter den 20 Unternehmen mit dem weltweit grössten F+E-Aufwand befinden sich auch zwei Schweizer Unternehmen: Den ersten Platz belegt Roche und den sechsten Novartis. In Europa liegen die Schweizer Multis gesamthaft hinter den französischen, den deutschen und den englischen Konkurrenten auf Platz 4 (vgl. Abb.).

Diese Rolle wird weiter untermauert durch die Patentaktivitäten der Schweizer Multinationalen. So figurieren auf der Liste der weltweit 50 «Top Applicants», die das Europäische Patentamt jährlich veröffentlicht, regelmässig fünf bis acht Schweizer Multis. Von den 2011 von der Schweiz beim Europäischen Patentamt eingereichten 7‘786 Patentanmeldungen entfielen rund 30% auf nur sechs multinationale Unternehmen.

Die wiederkehrende Frage, ob mehr Innovationen aus grossen oder kleinen Unternehmen stammen, lässt sich nicht generell beantworten. Innovationen sind abhängig vom Konjunkturzyklus, von der Branche und dem Technologiegebiet. Die technologische Dynamik kann sich zwischen den Unternehmensgrössenklassen immer wieder verschieben. Der globale Wettbewerb aber hat die Schwankungen, besonders die Konjunkturabhängigkeit, weiter akzentuiert.

Der Schweiz kommt in diesem Zusammenhang zugute, dass sie im internationalen Vergleich über verhältnismässig viele grosse, F+E-intensive Unternehmen verfügt. Diese zeichnen sich durch antizyklisches Innovationsverhalten aus, weil F+E für sie strategische Bedeutung hat und deshalb auch in konjunkturellen Schwächephasen Priorität geniesst. Die Kombination eines sehr innovativen KMU-Sektors mit einer beträchtlichen Zahl F+E-intensiver Multis ist auch laut einer KOF-Studie eine strukturelle Stärke des «Innovationssystems Schweiz».

Mehr zu diesem Thema entnehmen Sie dem Diskussionspapier « Multis: Zerrbild und Wirklichkeit. Der vielfältige Beitrag globaler Unternehmen zum Schweizer Wohlstand».