Am kommenden 28. September wird das Stimmvolk über die Initiative von GastroSuisse «Schluss mit der Mehrwertsteuer-Diskriminierung des Gastgewerbes» entscheiden. Im Kern geht es darum, dass gastgewerbliche Leistungen zukünftig dem reduzierten MWST-Satz von 2,5% unterstehen sollten. Der Vorsatz ist löblich, das Vorgehen verständlich, doch die vorgeschlagene Lösung hält das Versprechen des Titels nicht: Statt einen Abbau der Diskriminierungen schlägt die Initiative deren Verstärkung vor, indem dem Gastgewerbe zusätzliche Ausnahmen eingeräumt werden sollen.
Damit unterscheidet sich diese Initiative von jenen anderer Interessengruppen nicht, die alle gerne «ihre» Dienstleistungen und Produkte von einer Steuer ausgenommen sähen. Nicht weniger als drei unterschiedliche Sätze kommen heute bereits bei der Mehrwertsteuer zur Anwendung, während 29 Güter- und Dienstleistungskategorien von der Steuer befreit sind.
Begründet werden die reduzierten Sätze und die Ausnahmen durchwegs mit sozialpolitischen Argumenten, allerdings keinen überzeugenden. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 2,5% auf Grundnahrungsmittel solle die einkommensschwachen Haushalte entlasten, da diese einen grösseren Anteil ihres Einkommens für Grundnahrungsmittel aufwenden, so die politische Absicht. Doch diese Art von Umverteilung über die Mehrwertsteuer ist ineffizient und teuer, denn sie führt zu hohen Mitnahmeeffekten. Zwar profitieren die unteren Einkommensklassen von den Satzreduktionen relativ (das heisst in Prozent des Einkommens) tatsächlich etwas mehr als die oberen. Absolut (in Franken) betrachtet werden die Reicheren jedoch noch stärker bevorzugt. Bei den Nahrungsmitteln beispielsweise werden für jeden Franken, um den man die untersten 20 Prozent der Einkommensbezüger entlastet, die obersten 20 Prozent um 2 Franken entlastet (siehe Grafik).
Verlierer sind am Schluss alle Konsumenten, denn diese Ausnahmen werden durch einen insgesamt teureren Normalsatz ausgeglichen. Avenir Suisse hat berechnet, dass der Normalsatz um mehr als einen Prozentpunkt gesenkt werden könnte, wenn zusätzlich zum reduzierten Satz auf Nahrungsmittel auch der Sondersatz für Beherbergungen und die zahlreichen weiteren Ausnahmen abgeschafft werden würden.
Das ist aber nur die Hälfte der Geschichte: Ein echter Einheitssatz würde auch grosse administrative Erleichterungen für die Unternehmen bedeuten und zum Abbau der Steuerbürokratie führen. So wird geschätzt, dass sich ein grosser Teil der Rechtsstreitigkeiten bei der Mehrwertsteuer um die Frage dreht, ob für das betreffende Produkt irgendein reduzierter Satz zur Anwendung kommen darf oder nicht.
Die Initiative von Gastrosuisse zeugt von einer Tendenz, die sich allmählich durch das ganze Schweizer Steuersystem durchzieht. Immer öfters wird versucht, Steuern, Abgaben, Sozialleistungen (Kinderkrippen, Krankenkassen bis zu gemeinnützigen Wohnungen) und sogar Verkehrsbussen «sozial», sprich progressiv, zu gestalten. Dies erhöht die Komplexität des Steuersystems und fördert die Intransparenz, weil nun jede Administration über die Einkommensabhängigkeit ihrer Dienste zu entscheiden hat, oft ohne die bereits vorhandenen Umverteilungsflüsse zu berücksichtigen. Deshalb eignen sich für eine systematische und kohärente Umverteilung grundsätzlich nur wenige Steuern, die tatsächlich individuell gestaltet und in ihrer Gesamtwirkung erfasst werden können. Das gilt für die Einkommenssteuer, nicht jedoch für den Mehrwertsteuersatz der beim Imbiss gekauften Bratwurst.