Wer bietet die besten Goodies im War for Talents?

Liberalismus konkret Wie sich Arbeitgeber durch gute Arbeitsbedingungen Wettbewerbsvorteile verschaffen

Im Kampf um die klügsten Köpfe auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren Schweizer Unternehmen mit in- und ausländischen Wettbewerbern. Doch um junge Nachwuchstalente zu gewinnen und längerfristig zu binden, müssen sie besondere Anreize schaffen, denn gerade die jüngeren Generationen setzen nicht mehr ausschliesslich auf ein üppiges Salär, sondern stellen zunehmend andere Ansprüche an ihre Arbeitgeber. Mit liberalen Arbeitsbedingungen können Firmen den Ansprüchen dieser Zielgruppen besser gerecht werden und dadurch den Standort Schweiz stärken. Dazu braucht es auch Anpassungen im Arbeitsrecht.

Die Swiss Re beschäftigt rund 1200 Personen in ihrem Sitz in Zürich, die Anzahl der Arbeitsplätze beläuft sich hingegen auf 800. Hat sich der Rückversicherer etwa bei den Schreibtischen verzählt? Ganz im Gegenteil, dahinter steckt eine bewusst gewählte Strategie: Das sogenannte Platz-Sharing ist Teil eines liberalen Arbeitsmodells, Teil einer Antwort von Swiss Re auf Wünsche nach flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice oder Teilzeitarbeit.

Arbeiter an einer Stempeluhr (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Alles andere als «nine to five»

Früher war der typische Angestellte bei einem Unternehmen mit unbestimmter Vertragsdauer Vollzeit angestellt und strebte regelmässige Beförderungen und Lohnerhöhungen an. Selbstständige und Teilzeitbeschäftigte weichen von diesem Schema ab. Damit hätte die Schweiz heute mit 46% europaweit den zweithöchsten Anteil an «atypischer» Arbeit. Die Entwicklung sieht jedoch deutlich weniger spektakulär aus, wenn man die Teilzeitbeschäftigen mit unbefristetem Vertrag von der Kategorie der atypischen Arbeitsformen ausschliesst. Noch 18% der Arbeitsplätze fallen dann noch unter die Bezeichnung «atypisch». Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung sind die Millennials, die zwischen 1980 und 2000 geborene Generation, die 2020 rund die Hälfte aller Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt bilden werden. Gemäss der Avenir-Suisse-Publikation «Wenn die Roboter kommen» stehen für die jüngere Generation drei zentrale Bedürfnisse im Vordergrund.

  1. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben steht weit oben auf der Wunschliste der jungen Berufseinsteiger. Massnahmen wie Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten oder andere individuelle Vereinbarungen kommen diesem Anspruch entgegen. Im Gegensatz zu früher, als Arbeits- und Ruhezeiten strikt voneinander getrennt waren, löst sich dieser Unterschied gegenwärtig immer mehr auf. Ob unterwegs oder zu Hause – insbesondere im Dienstleistungssektor ist Arbeit nicht mehr an Ort und Stelle gebunden, ergo kann der Arbeitsplatz flexibel gewählt werden. Paradox: Zwecks einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatem sollen die beiden Bereiche nicht etwa strikter voneinander getrennt werden. Vielmehr müssten die Grenzen aufgeweicht, Geschäftliches auch am Wochenende erledigt oder private Anrufe während der Arbeitszeit getätigt werden. Auch produktive Phasen fallen nicht automatisch auf die üblichen Bürozeiten und sollen daher flexibel gewählt werden können.
  2. Mehreren Jobs gleichzeitig nachzugehen liegt ebenfalls voll im Trend. Insbesondere unter den Hochqualifizierten besteht das Bedürfnis, die eigenen Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen oder Projekten einzusetzen und vielfältige Erfahrungen zu sammeln. So zum Beispiel der Chemiker eines Pharmariesen, der einmal in der Woche seinen Laborkittel gegen den Hörsaal eintauscht, um sein Fachwissen den Studenten zu vermitteln. Auch aufgrund dieses Trends sind die Unternehmen gefordert, Teilzeitstellen anzubieten und für flexible Arbeitszeiten zu sorgen, die genug Raum für die persönliche Entfaltung bieten.
  3. Mitsprache und Selbstbestimmung heisst die nächste Forderung auf der Agenda der Young Professionals und geht mit den beiden vorangegangenen Punkten einher. Dazu gehört auch eine Arbeitskultur, die Eigeninitiative und Teamarbeit fördert. Andere Kriterien wie ein hohes Gehalt oder die berufliche Stellung werden von vielen Arbeitnehmern der Mitsprache und Selbstbestimmung sogar untergeordnet. Unternehmen mit flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen punkten besonders, da sie dieser Forderung am besten nachkommen können.

Altbackenes Arbeitsgesetz

Es ist in mehrfacher Hinsicht wichtig, dass Unternehmen danach streben können, innovative und flexible Arbeitsbedingungen zu schaffen: Erstens für sich selber, um im nationalen und internationalen Konkurrenzkampf um junge Talente die Besten an Land zu ziehen.  Und zweitens, weil es langfristig von Vorteil für den Standort Schweiz ist.

Und genau hier gibt es noch eine wichtige Hürde zu überwinden: Die Reform des Schweizer Arbeitsrechts. Dessen letzte Revision fand im Jahr 1964 statt, einer Zeit, als die technologischen Gegebenheiten noch völlig andere waren. Dementsprechend veraltet sind die darin enthaltenen Bestimmungen: Möchte jemand beispielsweise lieber nachmittags und abends arbeiten, wird dies durch das öffentliche Arbeitsrecht behindert. Denn dieses schreibt eine klare Trennung zwischen Tag- und Nachtarbeit vor. Was also ursprünglich zum Schutz der Arbeitnehmer gedacht war, kann uns heute in der Flexibilität einschränken. Damit der Standort Schweiz für Angestellte wie auch Unternehmen nicht an Attraktivität verliert, sind liberale Anpassungen des Arbeitsrechts dringend nötig. Ein konkreter Vorschlag dazu wäre die vermehrte Einführung von Jahresarbeitszeiten anstelle von fixen Wochenarbeitszeiten. Obschon solche flexiblen Arbeitszeitmodelle auf dem Vormarsch sind, ist ihre Verbreitung mit rund 10% noch relativ niedrig. Fest steht: Damit liesse sich wiederum der erste Punkt nach einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben erreichen.

Dieser Beitrag ist Teil der Blogserie «Liberalismus konkret», in welcher wir uns mit den Errungenschaften liberalen Denkens und Handelns befassen.

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