Das renommierte Journal «Aussenwirtschaft – Schweizerische Zeitschrift für internationale Wirtschaftsbeziehungen», das vom Schweizerischen Institut für Aussenwirtschaft und angewandte Wirtschaftsforschung an der Universität St. Gallen herausgegeben wird, erscheint seit Beginn des Jahres 2016 in einem neuen Kleid. Die erste Nummer ist dem Thema «Multis: Ihre Rolle und Bedeutung in der schweizerischen Wirtschaftspolitik» gewidmet. Darin findet sich auch eine überarbeitete und gekürzte Fassung des Avenir Suisse Diskussionspapiers «Multis: Zerrbild und Wirklichkeit. Der vielfältige Beitrag globaler Unternehmen zum Schweizer Wohlstand» aus dem Jahr 2013.

Multis bleiben ein Feindbild

Diese Arbeit löste bei ihrem ersten Erscheinen vor allem in Gewerbekreisen einige böse Kommentare aus, weil die volkswirtschaftliche Bedeutung der KMU darin nicht genügend gewürdigt würde. Dies war zwar gar nicht das Thema, und es handelte sich auch nicht um eine bestellte Arbeit von Seiten der Stifter von Avenir Suisse, wie mangels sachlicher Einwände einige Kritiker unterstellten. Der neue Artikel greift zwei zentrale wirtschaftspolitische Thema auf, die für alle Unternehmen gleichermassen von Bedeutung sind. Zum einen geht es um eine Wirtschafts- und Regulierungspolitik, die allen Unternehmen unabhängig von ihrer Grösse optimale Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Dabei wird besonders hervorgehoben, dass es gerade für grosse Unternehmen in einer liberalen Ordnung keine Befreiung vom zentralen marktwirtschaftlichen Disziplinierungsinstrument der Konkursdrohung geben dürfe. Freiheit und Haftung müssen auch für Multis gelten, wenn das Fundament von Staat und Markt nicht Schaden nehmen soll.  Zum andern wird die Notwendigkeit einer liberalen Standortpolitik herausgearbeitet, die gerade in einer Zeit, in der das Weltwirtschaftssystem verletzlicher und instabiler geworden ist, immer wichtiger wird.

Wurzeln der schweizerischen Innovationsfähigkeit

Der bisherige Erfolg des schweizerischen Innovationssystems gründet in einem engen Netzwerk von forschungsstarken Multis, innovationsorientierten KMU, leistungsfähigen Hochschulen und einer starken Berufsbildung, das spontan und interessengeleitet interagiert – und zwar ohne dass es eine staatliche Steuerung gibt. Die Schweiz ist gut beraten, an diesen Rahmenbedingungen mit den klar verteilten Verantwortlichkeiten festzuhalten. Dies verträgt keine Klassenkämpfe zwischen grossen und kleinen Unternehmen oder zwischen Real- und Finanzwirtschaft, weil sich sonst die Schweiz hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit ins Abseits manövrieren würde. Dass die multinationalen Unternehmen «ein solides, dauerhaftes und elastisches Rückgrat» der schweizerischen Volkwirtschaft bilden, wie der grosse Schweizer Ökonom Jürg Niehans vor rund 40 Jahren sagte,  sollte auch noch heute gelten.

Nationale Wirtschaftspolitik wegen der Globalisierung

Entgegen der weitverbreiteten Meinung, in der Ära der Globalisierung sei eine nationalstaatliche Wirtschaftspolitik entweder überflüssig oder unmöglich, braucht die Schweiz mehr denn je eine liberale Standortspolitik. Denn die Voraussetzungen für einen attraktiven Standort wie eine günstiges steuerliches Umfeld, stabile Staatsfinanzen, ein leistungsfähiges Bildungs-und Forschungssystem, eine liberale Wirtschaftsgesetzgebung usw. werden weiterhin in hohem Ausmass von der nationalen Wirtschaftspolitik gesetzt. Ohne Zweifel steht diese unter den heutigen Bedingungen viel stärker als früher unter internationaler Beobachtung oder gar auf dem Prüfstand.

Die Verteidigung unserer wirtschaftspolitischen Souveranität in einem Weltsystem, das wegen der internationalen Staatsschuldenkrise, globalen Leistungsbilanzungleichgewichten und wirtschaftlichen Gewichtsverlagerungen instabiler geworden ist, wird damit zu einer Frage des nationalen Rückgrats. Dies erfordert eine konsistente Aussen-und Wirtschaftspolitik, die sich konsequent am nationalen wirtschaftlichen Wohlstand der Schweiz orientiert. Als Kleinstaat kann sich unser Land im globalen Wettbewerb letztlich nur durch makroökonomische Outperformance und eine innovationsstarke Wirtschaft Respekt und Gehör verschaffen.

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