Die Nachhaltigkeit im Handel gewinnt für Konsumenten zunehmend an Bedeutung. Um diese entlang der gesamten Lieferkette zu gewährleisten, setzen nun viele Länder auf die Verantwortlichkeit des einzelnen Unternehmens. Dieser Ansatz greift allerdings zu kurz: es braucht eine multilaterale Lösung.

Vergangenen November wurde an der Urne über die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) abgestimmt. Mit der KVI wollten die Initianten insbesondere Schweizer Unternehmen verpflichten, erhöhte Anforderungen an Menschenrechte und Umweltstandards entlang beinahe ihrer gesamten Wertschöpfungskette einzuhalten.

Obwohl die Initiative knapp am Ständemehr scheiterte, hat die Abstimmung gezeigt, wie wichtig Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit im Welthandel für die Schweizer Stimmbevölkerung geworden sind. Die Anforderungen der Konsumentinnen und Konsumenten an international gehandelte Produkte haben sich gewandelt: Bisher galt es, durch den Handel die Auswahl an Gütern möglichst auszuweiten, um die Wohlfahrt zu steigern. Neu sind nicht nur unterschiedliche Qualitäten zu unterschiedlichen Preisen gefragt, sondern auch faire und nachhaltige Produktionsbedingungen. Dies wird auch durch das knappe Abstimmungsergebnis zugunsten des Wirtschaftsabkommens mit Indonesien belegt, obwohl erstmals ein Kapitel über Nachhaltigkeit in einen Handelsvertrag integriert wurde.

Die Umwelt- und Sozialforderungen ergänzen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), die hauptsächlich darauf fokussieren, eine ungleiche Behandlung von zwei identischen Produkten aus unterschiedlichen Ländern zu verhindern («national treatment»-Prinzip). Das heisst, Mitgliedstaaten dürfen nicht mithilfe von Subventionen, Zöllen oder technischen Handelshemmnissen ihre eigenen Waren oder diejenigen bestimmter Handelspartner bevorzugen.

Konsumentinnen und Konsumenten vergleichen nicht mehr nur die Produkte, sondern auch deren Art der Herstellung. (Artem Beliaikin)

Die Kriterien, anhand derer man feststellen kann, ob zwei Produkte «gleich» sind, basieren aber vor allem auf deren Aussehen und Funktion. Inwiefern Kriterien, die nicht direkt am Endprodukt ersichtlich sind – also beispielsweise ob die Produktion besonders umweltfreundlich ist – in Betracht gezogen werden dürfen, ist unter den Mitgliedstaaten der WTO höchst umstritten (WTO 2021). So befürchten beispielsweise gewisse Entwicklungsländer, dass eine solche Verknüpfung sie zusätzlich benachteiligen würde: Eine Anpassung ihrer Produktionsmethoden wäre für sie kostspieliger als für industrialisierte Länder, die reduzierten Exportmöglichkeiten könnten letztlich ihre Entwicklung hemmen.

Dennoch bleibt die Nachhaltigkeit ein wichtiges Anliegen. Viele Staaten, darunter die Schweiz, haben sich dafür entschieden, direkt bei den Unternehmen anzusetzen: Sie sollen ihre Lieferketten selbst nachhaltiger gestalten. Heutzutage sind Unternehmen allerdings selten für die ganze Lieferkette zuständig. Stattdessen beziehen sie von Produzenten und Zulieferern Rohstoffe oder Zwischenprodukte, welche sie selbst weiter verarbeiten. Will man Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette wirklich gewährleisten, müssen alle betroffenen Akteure einbezogen werden. Doch auch dann wird «nachhaltiges Handeln» bei jedem Schritt der Produktion etwas anderes enthalten: so mag in der Lebensmittelbranche der Fokus bei der Rohstoffbeschaffung vor allem auf dem ökologischen Anbau liegen.

Bei elektronischen Geräten hingegen denkt man in erster Linie an die sogenannten «Konflikt-Mineralien». Bei diesen muss u.a. darauf geachtet werden, dass sie aus regulierten Minen kommen, wo Menschenrechte angemessen geschützt werden. Bei der Verarbeitung der Rohmaterialien treten wiederum andere Anliegen in den Vordergrund wie beispielsweise die CO2-Emissionen der Fabriken oder die faire Entlöhnung der Arbeiter. Für eine wirklich nachhaltige Lieferkette müssen alle diese Kriterien beachtet werden.

Ein Beispiel eines Unternehmens, das versucht, dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist Apple. Im Jahr 2019 arbeitete die Firma mit über 200 eigenständigen Zulieferern in 49 Ländern zusammen, um Smartphones herzustellen (Apple 2020). Die Verantwortung nachhaltig zu produzieren liegt dabei aus Sicht vieler Kunden (und den Befürwortern von Initiativen wie der KVI) bei Apple, denn der Tech-Gigant ist der einflussreichste Akteur in der Kette und schöpft zudem den höchsten Anteil der Wertschöpfung ab (Delautre 2017).

Um diese Erwartungen zu erfüllen, engagiert sich Apple daher seit mehreren Jahren aktiv dafür, ihre gesamte Wertschöpfungskette nachhaltiger und sozialverträglicher zu gestalten. Dafür arbeiten sie eng mit ihren Zulieferern zusammen und bewerten sie jährlich anhand von mehreren Kriterien im Umwelt- und Menschenrechtsbereich: 2019 führte Apple dafür über tausend Kontrollen durch und befragte 52’000 Mitarbeiter zu ihren Arbeitsbedingungen (Apple 2020). Zudem unterstützen sie ihre Zulieferer durch verschiedene Programme mit spezifischem Know-how sowie mit finanziellen Anreizen, ihre Emissionen zu senken, Verschmutzung zu vermeiden und Ressourcen zu schonen. Diese Bemühungen werden jedes Jahr in einem Fortschrittsbericht dokumentiert und haben bereits Früchte getragen: Apple wurde mehrmals von Greenpeace als eine der «grünsten» Tech-Firmen der Welt ausgezeichnet (Business Insider 2017).

Es ist offensichtlich, dass der benötigte Aufwand, um alle diese Kriterien laufend zu überprüfen, enorm ist. Apple mag sich dies finanziell leisten können, doch für viele kleinere Unternehmen stellt dies eine grosse Hürde dar. Hinzu kommt, dass nur wenige Lieferanten von der Unterstützung der multinationalen Konzerne profitieren – die restlichen Unternehmen in der Region bleiben aussen vor. Dies ist zwar ein Anfang, doch langfristig ist der Nachhaltigkeit mit einem multilateralen Ansatz besser gedient: Dieser verbessert die allgemeinen Rahmenbedingungen in einem Land. Eine multilaterale Lösung würde also zu einem «level playing field» für alle Akteure führen.

Durch einen verstärkten Fokus auf Nachhaltigkeit in den internationalen Handelsregeln wären die gesamten, globalen Wertschöpfungsketten betroffen. Bleibt die Angst der Entwicklungsländer, dass eine Umstellung zu teuer wäre. Dafür existieren bereits mehrere internationalen Organisationen, durch welche Industrieländer Unterstützung leisten könnten – es besteht sogar bereits eine Basis für eine Zusammenarbeit dieser Organisationen und der Welthandelsorganisation (WTO 2021). Die Schweiz sollte sich also verstärkt für den multilateralen Ansatz einsetzen.