Die Strompreise sind in den letzten rund sechs Monaten regelrecht explodiert. Nach Jahren historischer Tiefstpreise scheinen die Kurse nur eine Richtung zu kennen: nach oben.

Eigentlich könnten die Stromversorger jubeln, die Kassen klingeln. Doch die Champagnerlaune ist begrenzt, denn um sich gegen Ausfälle abzusichern, verlangen Strombörsen immer höhere hinterlegte Sicherheiten. Dies benötigt Liquidität, die das Cash-Management vieler Unternehmen mehr als jemals zuvor fordert. Was nun, wenn die Mittel nicht ausreichen und die Handelspositionen nicht mehr abgesichert werden können? Auf diesen Fall bereitet sich der Bundesrat vor. Denn es wird befürchtet, dass der Ausfall eines Unternehmens zu einem Dominoeffekt führt und weitere Versorger in Schieflage geraten könnten. Dies bliebe nicht ohne Folgen für die Stromversorgung in der Schweiz.

Die propagierte Lösung ist, einen finanzieller Rettungsschirm für die wichtigsten Stromversorger aufzuspannen. Er soll Unternehmen mit Liquiditätsengpässen aushelfen, so dass sie ihren Handelsverpflichtungen nachkommen können. Parallelen zur Finanz- und Wirtschaftskrise sind politisch jeweils schnell zur Hand. So war es schliesslich der Bund, der in einer Notfallübung für die Verbindlichkeiten der UBS geradestand und damit eine «Ansteckung» des Schweizer Finanzsystems vermied.

«Too big to fail» – die Rettung systemkritischer Unternehmen ist kostengünstiger als deren Konkurs und die damit verbundenen negativen volkswirtschaftlichen Effekte – so das oft vorgetragene Argument. Dies mag für Grossbanken stimmen (richtigerweise wurden im Nachgang zur UBS-Rettung Regeln eingeführt, um eine erneute Staatsübernahme zu vermeiden), doch die Gemeinsamkeiten zwischen Finanz- und Strommarkt sind geringer, als man auf den ersten Blick meint.

Man schaue sich nur einmal die Bilanz einer Bank und eines Stromversorgers an. Letztere weisen in der Regel ein hohes Anlagevermögen auf, das in Beton und Metall gebunden ist. Es sind die Staumauern, Kernkraftwerke und Verteilnetze, die die Bilanz wertmässig dominieren: physische und ortsgebundene Vermögenswerte, auf die im Notfall zurückgegriffen werden kann.

Im Stromsektor gilt es zwischen der juristischen Person und ihren Assets zu unterscheiden. (Ernest Brillo, Unsplash)

Es gilt – stärker als in der Finanzbranche – im Stromsektor zwischen der juristischen Person und ihren Assets zu unterscheiden. Interessanterweise spricht selbst der Bund in seiner regelmässig aufdatierten Strategie vom «Schutz kritischer Infrastrukturen» und nicht von systemkritischen Unternehmen, die es im Bedarfsfall zu retten gilt.

Ein Elektrizitätsunternehmen kann und soll grundsätzlich Konkurs gehen können, seine physischen Vermögenswerte sind deswegen nicht plötzlich inexistent. Sie könnten im Notfall durch eine staatliche Auffanggesellschaft zumindest temporär weiterbetrieben werden, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Dies ginge nicht ohne Fachkräfte. Doch auch sie wären bei einem Konkurs ihres Arbeitgebers nicht von einem Tag auf den anderen verschwunden, sondern würden mangels kurzfristiger Perspektiven wohl einwilligen, zu den gleichen Bedingungen weiterzuarbeiten, solange der Lohn pünktlich bezahlt wird.

Doch ist dies – wie im Fall UBS – primär Aufgabe des Bundes? Nein. Denn im Gegensatz zur UBS gehören die relevanten Stromversorger entweder ganz oder zumindest mehrheitlich den Kantonen und Gemeinden. Sie sollten als Aktionäre und Bezüger teilweise üppiger Dividenden in den vergangenen Jahrzehnten zuallererst in der Pflicht stehen, den Weiterbetrieb im Konkursfall sicherzustellen.

Der Geist ist aus der Flasche, die politische Diskussion um den Rettungsschirm hat politisch an Fahrt aufgenommen. Als systemrelevantes Unternehmen der Branche kann man sich nun beinahe sicher sein, dass im Notfall staatliche Akteure – ob die Aktionäre oder der Bund – gleich das ganze Unternehmen retten werden. Es ist nur noch eine Frage, ob diese Überlebensgarantie explizit rechtlich verankert wird oder implizit vorausgesetzt werden darf.

Der Moral-Hazard-Ansatz würde davon ausgehen, dass sich die Unternehmen nun erst recht risikoreicher verhalten und beispielsweise spekulative Handelspositionen eingehen, die vorher vermieden worden wären. Die Reissleine des Rettungsschirms könnte im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung deshalb früher als erwartet gezogen werden. Auch aus diesem Grund ist das vom Bundesrat vorgelegte Konzept rundweg abzulehnen.