Das heutige Bildungssystem geht nach wie vor von einer Dreiteilung des Lebens aus: Ausbildung, Erwerbsleben und Ruhestand. Der Grossteil der öffentlichen Ausgaben fällt in den frühen Lebensjahren an. Dies verdeutlicht eine Schätzung der Verteilung der öffentlichen Bildungsausgaben über den Lebenszyklus (vgl. Abbildung). Dabei fällt folgendes auf:
- Die staatlichen Pro-Kopf-Ausgaben für die frühkindliche Bildung sind niedrig, da einerseits weniger als 40% der Kleinkinder in einer Kita oder Tagesfamilie betreut werden und andererseits die Eltern den Grossteil der Kosten tragen.
- Die Ausgaben sind im Alter der obligatorischen Schulzeit mit rund 20’000 Franken pro Kopf am höchsten, weil während dieses Zeitraums alle Kinder und Jugendlichen eine Schule besuchen.
- Da die meisten Jugendlichen im Anschluss an die obligatorische Schule entweder eine Lehre absolvieren oder eine allgemeinbildende Schule (z.B. Gymnasium) besuchen, bleibt der staatliche Bildungsaufwand hoch.
- Zwischen dem 18. und 22. Lebensjahr – mit dem Übertritt zur Tertiärstufe – nimmt der Anteil Personen in Ausbildung auf rund 40% ab. Dadurch sinken auch die öffentlichen Bildungsausgaben pro Kopf.
- Ab dem Alter von 30 Jahren sinkt der Anteil Personen in Ausbildung, und damit sind auch die staatlichen Ausgaben verschwindend klein.
Das «Frontloading» bei den öffentlichen Bildungsausgaben bedeutet jedoch nicht, dass die Lernkarrieren mit 30 Jahren abgeschlossen sind. Denn nach der (vorwiegend staatlich finanzierten) Ausbildung wird während des Erwerbslebens regelmässig in Weiterbildung investiert. Zudem ist der Arbeitsplatz eine wichtige Lernumgebung: Viele berufliche Fähigkeiten und branchenspezifisches Wissen werden im Berufsalltag erworben und vertieft. Die Tatsache, dass der Lohn in der Regel mit zusätzlicher Arbeitserfahrung steigt, verdeutlicht die Bedeutung des Lernens im Arbeitsalltag. Die Lohnzuschläge für zusätzliche Arbeitserfahrung haben sich in der Schweiz während der letzten 25 Jahre kaum verändert – das Lernen «on the job» hat also nicht an Bedeutung verloren.
Zudem gibt es gute Gründe dafür, dass der Grossteil der Bildungsausgaben im jungen Alter anfällt: Je früher im Leben in Bildung investiert wird, desto länger kann man von dem Gelernten Gebrauch machen: Schliesst jemand ein Masterstudium mit 25 Jahren ab, so profitiert dieser rund 40 Jahre von einem Lohnzuschlag aufgrund der höheren Qualifikationen – würde der Abschluss erst mit 60 Jahren erreicht, so wären es nur rund fünf Jahre.
In jungen Jahren investiert der Staat, danach die Individuen und Unternehmen
Doch inwiefern sollte sich der Staat an den Kosten der Bildungsinvestitionen beteiligen? Generell gilt: Bildung bringt nicht nur Vorteile für die bildungsaktiven, sondern auch für weitere Personen mit sich: So profitiert die Gesellschaft z.B. von gebildeten Menschen, da diese den Fortschritt vorantreiben und eine höhere Produktivität erzielen. Zudem entstehen Wissensexternalitäten: Abgesehen von dem Forschenden selbst profitieren viele weitere Personen vom neu gewonnenen Wissen.
Da ein Teil des Bildungsnutzens der Gesellschaft zugutekommt, wären wohl nicht alle bereit, die gesamten Kosten für ihre Ausbildung zu tragen, wodurch es aus Sicht des Staates eine zu geringe Nachfrage nach Bildung gäbe. Allerdings nimmt mit jeder höheren Bildungsstufe der Anteil der «privaten» Erträge zu. Der Vorteil einer Ausbildung fällt am Ende der Bildungskarriere vorwiegend der Person zu, die sie in Anspruch nimmt.
Der Ertrag von Weiterbildung und dem Lernen im Arbeitsalltag kommt vor allem den Individuen und den Unternehmen zugute, weshalb diese auch die Kosten tragen. Je individueller oder je betriebsspezifischer die Weiterbildung ausgestaltet ist, desto grösser der Anteil, für den die Arbeitnehmer bzw. die Arbeitgeber aufkommen sollten: Wird an einer Schulung beispielsweise nur Wissen vermittelt, das die Angestellten nach einem Jobwechsel nicht mehr gebrauchen können, so kommt in der Regel der Arbeitgeber für die gesamten Kosten auf. Die Ausgaben für die Verbesserung von generell einsetzbaren Fähigkeiten, die den Angestellten auch ausserhalb des Unternehmens einen Mehrwert bringen – wie z.B. allgemeine berufliche Fähigkeiten oder Sprachkompetenzen – dürften hingegen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt werden.
Eine gleichmässigere Verteilung der öffentlichen Bildungsausgaben über den Lebenszyklus ist daher nicht angebracht. Ein höheres staatliches Engagement würde in erster Linie die Weiterbildungsinvestitionen der Individuen und Unternehmen verdrängen. Jedoch gibt es auch hier Ausnahmen: Staatliche Unterstützung für die Weiterbildung von Arbeitskräften kann dann sinnvoll sein, wenn eine gesellschaftlich wünschenswerte Versorgung nicht erfolgt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Arbeitskräfte aufgrund mangelnder Weiterbildung den Anschluss an die Arbeitswelt verlieren könnten.
Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Publikation «Weiterbilden, aber gezielt».