Die grundlegende Logik, die für eine ökologische Steuerreform spräche, ist so simpel wie bestechend: Weil die Verursacher nur die privaten Kosten ihrer Aktivitäten berücksichtigen und die Kosten für die Allgemeinheit ignorieren, erzeugen sie mehr Verschmutzung, als aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll wäre. Durch eine Besteuerung der Emissionen hingegen würden ihnen die vollen Kosten in Rechnung gestellt. Besser noch: Wer seine Emissionen günstig reduzieren kann, wird mehr zur Erreichung des Umweltziels beitragen. Die Lenkungsabgabe verursacht so geringere volkswirtschaftliche Kosten als technische Standards.

Leitende Kraft des Preissystems

Auch die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» zielt in diese Richtung. Durch die Einführung eines Lenkungssystems sollen Energiewende und Reduktion des CO2-Ausstosses ohne Verbote oder Gebote möglich werden, sondern einzig durch die leitende Kraft des Preissystems. Um die volkswirtschaftlich richtige Dosis an Lenkung zu erreichen, muss aber die Höhe der Abgabe der Höhe der externen Kosten entsprechen – z. B. den von CO2-Emissionen verursachten Kosten des Klimawandels. In der Praxis aber lassen sich diese Kosten kaum beziffern. In der politischen Realität leitet sich die Höhe der Abgabe vielmehr indirekt aus einem Finanzierungsziel ab – im Falle der Initiative müssten die Steuereinnahmen 3,5 Prozent des BIP oder rund 22 Milliarden Franken ausmachen, so viel, wie heute die Mehrwertsteuer einbringt. Übertrifft das Finanzierungsziel aber die Summe der externen Kosten, ist der Lenkungseffekt zu gross und verursacht seinerseits volkswirtschaftliche Kosten.

Dies illustriert die zweite Herausforderung bei der Umsetzung einer ökologischen Steuerreform: ihre Einbettung in das Steuersystem. Um die gesamte Belastung durch Steuern und Abgaben konstant zu halten, braucht es Entlastung an anderer Stelle. Sinnvollerweise sollten besonders schädliche Steuern abgebaut werden. Zu diesen gehört die Mehrwertsteuer aber keineswegs. Zwar weist auch sie verzerrende, wachstumshemmende Effekte auf, etwa aufgrund der Taxe occulte (jener Teil der Vorsteuer, der auf an sich steuerbefreiten Investitionsgütern lastet). Dies gilt aber mehr noch für andere Steuern wie die Unternehmensgewinnsteuer oder die Einkommenssteuer, bei der durch die wiederholte Besteuerung der Kapitalerträge gar sämtliche Investitionen belastet werden.

Wichtig ist auch die soziale Verträglichkeit der Reform. Energiesteuern wirken in der Regel regressiv: Bescheidene Einkommen werden stärker belastet als höhere. Auch allgemeine Konsumsteuern wie die Mehrwertsteuer werden als regressiv wahrgenommen, da die Bezüger höherer Einkommen aufgrund ihres grösseren Sparanteils relativ weniger belastet werden. Allerdings entgehen sie nur vorläufig der Konsumbesteuerung. Früher oder später wird auch das Gesparte für den Konsum eingesetzt und somit steuerlich erfasst. So gemessen ist die Mehrwertsteuer weitgehend proportional.

Schliesslich muss jede ambitiöse ökologische Steuerreform die internationale Einbindung sorgfältig gestalten. Eine umfassende Energieabgabe kann nicht ohne Besteuerung der importierten grauen Energie und ohne Rückerstattung der Steuer beim Export stattfinden – der Wettbewerbsnachteil für die hiesigen Unternehmen wäre zu gross. Es liegt auf der Hand, hierfür den Grenzausgleichsmechanismus der Mehrwertsteuer als Vorlage zu nehmen. Dieser aber stützt sich auf leicht beobachtbare Grössen wie Umsätze und bezahlte Vorsteuern. Das «Border Tax Adjustment» bei der umfassenden Energiesteuer kann nicht auf solche verfügbaren Daten zurückgreifen. Die Menge an grauer Energie in Millionen von Produkten ist weder exakt erfasst, noch lässt sie sich anhand der Produkteigenschaften berechnen. Vielmehr muss die Festlegung auf Basis von Modellen erfolgen, die die unterschiedlichen Produktionsprozesse abbilden. Doch auf welchem Prozess genau? Die Aufgabe ist komplex und handelspolitisch umstritten – und bürokratischer als der Grenzausgleichsmechanismus der Mehrwertsteuer.

Marktverzerrungen

Damit verbunden ist ausserdem grosses Potenzial für Marktverzerrungen. Dies illustriert eine Anwendung im Strommarkt. Um das politische Ziel der Förderung erneuerbarer Energien und die Reduktion des CO2-Ausstosses zu verfolgen, müsste eine Lenkungssteuer nach Art der Produktion bzw. dem damit verbundenen Ausmass der CO2-Emission differenzieren. Dies stellt in der Praxis eine besondere Herausforderung dar, weil Strom – nicht zuletzt wegen des steigenden Anteils fluktuierender erneuerbarer Energie – vermehrt über anonyme, international eng verbundene Spotmärkte gehandelt wird. Vereinfachend könnte bei importiertem Strom eine durchschnittliche CO2-Emission unterstellt und mit einer Steuer belastet werden. Ein solcher Grenzausgleich würde das Grosshandelspreisniveau in der Schweiz anheben. Dies würde allen (auch bestehenden) Schweizer Kraftwerken Zusatzerträge bescheren und gleichzeitig deren Produktionsentscheide verzerren.

Einerseits vermittelt das um die Steuer erhöhte Grosshandelspreisniveau im Inland selbst dann noch Produktionsanreize, wenn im Ausland aufgrund von Produktionsspitzen bei erneuerbaren Energien die Preise temporär auf null fallen. Andererseits wäre es für in Schweizer Kraftwerke Investierende vorteilhaft, Produktion und Investitionen so zu planen, dass möglichst häufig Importsituationen entstehen – nur dann nämlich würde die Lenkungssteuer den Grosshandelspreis im Inland beeinflussen und dadurch Preise und Erträge maximieren.

Die scheinbaren Vorteile einer umfassenden ökologischen Steuerreform relativieren sich bei näherem Hinsehen. Die Umsetzung in der Praxis ist komplex und birgt bedeutendes Potenzial für Markt- und Wettbewerbsverzerrung.

Dieser Artikel erschien in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 13. Februar 2015.