Überraschende Überschüsse der Kantone könnten für das vergangene Jahr Seltenheitswert haben: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) tätigte 2023 zum ersten Mal keine Ausschüttungen, während die Kantone gesamthaft 1,76 Mrd. an Erträgen aus dieser Einnahmequelle budgetierten. In den Jahren zuvor war genau das Gegenteil der Fall: Von 2016 bis 2022 budgetierten die Kantone im Durchschnitt deutlich zu vorsichtig – nicht nur bezüglich der SNB-Ausschüttungen, sondern über ein breites Spektrum an Einnahmen, darunter auch die Steuererträge.
Markant niedrigere Steuern wären möglich gewesen
Die daraus resultierenden, beträchtlichen Überschüsse sind erfreulicher als Defizite. Sie aber einfach als «schöne Überraschungen» hinzunehmen, verkennt einen wichtigen Aspekt: Nimmt der Staat zu viel ein, belastet er die heutigen Steuerzahler zu stark im Verhältnis zu den Leistungen, die sie erhalten. Von 2016 bis 2022 hätten die Kantone im gesamtschweizerischen Durchschnitt auch mit einer um 10% niedrigeren Einkommenssteuer oder mit einer Senkung aller direkten Steuern um 5,6% noch einen ausgeglichenen Staatshaushalt erzielt.
Naheliegend wäre die Forderung nach treffsichererer Budgetierung zur Offenlegung des Steuersenkungspotenzials. Eine Budgetierung ist aber ein anspruchsvoller Prozess. Im Zweifel eher auf der vorsichtigen Seite zu sein, ist sicher nicht falsch. Und gegen Steuersenkungen sind die Vorbehalte oft gross: Was, wenn das nächste oder übernächste Jahr nicht mehr so positiv verläuft wie die vergangenen? Muss der Kanton dann seine Steuern gleich wieder erhöhen oder sogar schmerzvolle Sparpakete schnüren? Wegen solcher Bedenken wird in dieser Publikation ein neues Instrument vorgeschlagen.
Die Steuerrückvergütung – und wie sie aussehen könnte
Im Gegensatz zur Steuersenkung dürfte eine Steuerrückvergütung für den Staatshaushalt risikofrei sein und trotzdem die Überbelastung von Steuerzahlenden verhindern. Ihr Grundkonzept: Schreibt ein Kanton einen nicht budgetierten – also ungeplanten – Überschuss, so würde er die zu viel bezahlten Steuern automatisch an die Steuerzahlenden zurückerstatten.
In der Analyse werden verschiedene Modalitäten einer solchen Steuerrückvergütung diskutiert. Naheliegend wäre, sie von der Verschuldungssituation des Kantons abhängig zu machen. Bei negativer Nettoverschuldung (Finanzvermögen höher als Fremdkapital) ist eine Rückvergütung in vollem Umfang des ungeplanten Überschusses angemessen – derzeit erfüllen 14 der 26 Kantone dieses Kriterium. Bei einer Nettoverschuldungsquote (Nettoschulden/Fiskalertrag) von 0% bis 100% ist eine teilweise Rückvergütung sinnvoll. Übersteigt die Quote 100%, sollte hingegen der Schuldenabbau im Zentrum stehen und folglich keine Rückvergütung erfolgen.
Eine Steuerrückvergütung müsste die Form einer prozentualen Rückerstattung von direkten Steuern an die Steuerzahlenden haben. Sie wäre analog zur Senkung des Steuerfusses ausgestaltet, bei der sich die Steuerlast von allen Steuerzahlenden um einen bestimmten Prozentsatz reduziert.
Die Rückvergütung würde am besten mit der definitiven Steuerrechnung saldiert. Diese Rechnung wird jeweils frühestens im Herbst des Folgejahres verschickt; zu einem Zeitpunkt also, in dem das Ergebnis der Jahresrechnung längst bekannt ist. Es müsste somit keine effektive Rückzahlung durchgeführt werden, sondern bloss eine prozentuale Reduktion der definitiven Steuerrechnung. Die Implementierung eines solchen neuen Instruments wäre entsprechend einfach zu bewerkstelligen.
Fazit
Eine Steuerrückvergütung ist aus finanzpolitischer Sicht risikoarm und in Ergänzung mit den jeweiligen kantonalen Schuldenbremsen umsetzbar. Sie wäre eine einfache, schnelle und flexible Möglichkeit, die Steuerzahlenden und Leistungserbringer an einer positiven finanziellen Entwicklung ihres Kantons teilhaben zu lassen.
Den 1. Teil der Analyse finden Sie hier.