Die vorliegende Publikation ist das Ergebnis einer internationalen Teamarbeit unseres jährlichen Think-Tank-Summits, der dieses Jahr auf das hochkontroverse Thema der Ungleichheit fokussierte. Auf der politischen Ebene sind Fragen zu Ungleichheit und Gleichheit allgegenwärtig: So suggerieren beispielsweise die jährlichen Oxfam-Berichte, unsere liberalen Wirtschaftssysteme seien für globale, nationale und regionale Ungleichheiten verantwortlich.
Verbesserungen dank Globalisierung
Doch Zahlen und Daten zeigen ein anderes Bild: Noch 1990 lebten 44% der Weltbevölkerung in extremer Armut – heute sind es weniger als 10%. Diese Verbesserungen, die vor allem der Globalisierung und dem technischen Fortschritt zu verdanken sind, können nicht genug gewürdigt werden.
Aber warum ist das Thema Ungleichheit auf der politischen Agenda westlicher Demokratien trotzdem immer toxischer geworden? Welche politischen Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Mehr als ein Dutzend Autoren in dieser Publikation beleuchten das Thema aus verschiedenen Perspektiven und liefern wichtige Erkenntnisse:
- Offenheit und der ungehinderte Austausch von Waren und Dienstleistungen, Kapital, Menschen und Ideen bleiben für den wirtschaftlichen Erfolg und den Wohlstand weltweit unerlässlich. Die Welt braucht demnach mehr Offenheit, nicht weniger.
- Ungleichheit hat viele Ursachen und hängt von den institutionellen Rahmenbedingungen ab. Für konsistente und nachhaltige Politikvorschläge ist eine länderspezifische Analyse unerlässlich, da es keine universellen Lösungen gibt.
- Bildung ist eine der besten Möglichkeiten, soziale Mobilität zu erreichen und Ungleichheit zu verringern.
- Länder mit einem dualen Bildungssystem sind bei der Eingliederung von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt besonders erfolgreich.
- Administrative Hürden sind schädlich für die Beschäftigungssituation. Ein flexibler Arbeitsmarkt ist ein essenzieller Faktor zur Förderung von Gleichheit, da er Einkommen ermöglicht und die Vermögensbildung für eine breite Bevölkerungsschicht erleichtert.
- Geldpolitik darf nicht zum Sündenbock für eine Vielzahl von wirtschaftlichen Problemen gemacht werden. Die Zentralbanken handeln im besten Interesse der Ärmeren, wenn sie sich auf die Wahrung (oder Erreichung) der Preisstabilität konzentrieren.
- Der Gini-Koeffizient ist nicht das einzige Mass für Ungleichheit, da er eine statische Perspektive einnimmt. Nur eine langfristige Perspektive kann z.B. auch die soziale Mobilität einbeziehen. Verfügbares Einkommen und Vermögen können im Laufe der Lebenszeit stark variieren, weshalb sie auf individueller Ebene verfolgt werden sollten.
Erfolgsmodell Schweiz
Mehrere Beiträge zu diesem Buch zeigen, dass die Schweiz eine bemerkenswert stabile und ausgewogene Einkommensverteilung und eine gute soziale Mobilität aufweist. Ein hochflexibler Arbeitsmarkt steht im Zentrum des Schweizer Erfolgsmodells. Der relativ grosse arbeitsrechtliche Spielraum gibt den Unternehmen die nötige Flexibilität, um sich an neue Marktgegebenheiten anzupassen.
Wie die Forschung gezeigt hat, hat sich die Schweiz bei der Vorbereitung der jungen Generation auf den Berufseinstieg als sehr effektiv erwiesen. Und zu guter Letzt unterscheidet sich die Schweiz von den meisten Ländern durch ihren einzigartigen dezentralen institutionellen Rahmen, kombiniert mit (halb-)direkter Demokratie. Dezentrale Besteuerung und die Möglichkeit, die Fiskalpolitik auf lokaler Ebene zu verfeinern, sind für eine reibungslos funktionierende direkte Demokratie notwendig. Alle Versuche, das Steuersystem zu zentralisieren, sind kritisch zu betrachten.