Die Schweiz steht in der Energiepolitik vor einem Trilemma: Erstens muss die Versorgungssicher­heit mit Energie erhöht werden. Zweitens erfordert das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu errei­chen, einen Umbau des Energiemixes. Und drittens sollen beide Ziele zu volkswirtschaftlich tragba­ren Kosten erreicht werden.

Sinkender Bruttoenergieverbrauch, wachsender Strombedarf

Eine neue Avenir-Suisse-Studie von Patrick Dümmler und Simon Stocker analysiert in einem ersten Schritt die Ausgangslage in der Schweiz. Während der Bruttoenergieverbrauch aller Energieträger in den letzten zehn Jahren insgesamt gesunken ist, steigt der Strombedarf kontinuierlich: Bis 2050 wird je nach Szenario von einem Mehrbedarf von 35–50% ausgegangen. Ohne Ausbau der inländischen Elektrizitätserzeugung nimmt die Importabhängigkeit der Schweiz aufgrund der Energiewende insbesondere im Winter zu.

Die Schweiz ist mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen technisch so eng in den europäischen Strombinnenmarkt integriert wie kein anderes Land. Trotzdem ist sie weder kommerziell noch rechtlich ein gleichberechtigter Partner in diesem Markt. Weil Ausgleichsmassnahmen gegen unge­plante Stromflüsse und drohende Importbeschränkungen in der Schweiz getroffen werden müssen, führt dies zu steigenden Kosten für die Konsumenten.

An einer engeren Zusammenarbeit der Schweiz mit der Europäischen Union im Energiebereich führt aus energiepolitischer Sicht kein Weg vorbei. Als Minimalforderung sind technische Abkom­men zur Stabilisierung des Schweizer Stromnetzes zu nennen. Diese ersetzen jedoch nicht den mit­telfristigen Abschluss eines Stromabkommens, um den gegenseitigen Marktzugang zu ermöglichen und die Importkapazitäten der Schweiz aufrechtzuerhalten. Voraussetzung für eine vollständige Integration wäre eine umfassende Liberalisierung des Schweizer Strommarktes. Wirtschaftlich am sinnvollsten wäre langfristig ein umfassendes Energieabkommen, das neben Strom auch Wasser­stoff und synthetische Energieträger einschliesst.

Kostenwahrheit statt Subventionen

Parallel dazu muss die Energiepolitik einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten, etwa durch eine konsequente Bepreisung des CO₂-Ausstosses sowie die Abkehr von der ineffizienten, kleinteiligen und von Mitnahmeeffekten geprägten Förderpolitik. Soll aus politischen Gründen den­noch weiterhin gefördert werden, anstatt eine auf Kostenwahrheit hinwirkende Klimapolitik zu be­treiben, muss die Wahlfreiheit der einzusetzenden Technologie garantiert sein.

Zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit bieten sich neue Finanzierungskonstrukte an, so­genannte financial Contracts for Differences (fCfD). Mit ihnen erhalten Stromproduzenten einen Anreiz, die Effizienz ihrer Anlage zu optimieren und sie dann einzusetzen, wenn zu wenig Strom vorhanden ist. Eine marktnähere Ausgestaltung der Wasserzinsen (Zahlungen an die Standorte von Wasserkraftanlagen) und die Öffnung des Marktes für ausländische Geldgeber erhöhen die Attrak­tivität von Investitionen. Gefragt sind ausserdem günstige Rahmenbedingungen zur Schaffung von saisonalen Speichermöglichkeiten. Die Versorgungssicherheit soll gegenüber anderen Zielen wie dem Landschaftsschutz bei ungenügendem Ausbaustand temporär priorisiert werden (z.B. wenn die Importe 5 TWh übersteigen). Die bestehenden Kernkraftwerke sollen so lange am Netz bleiben, wie sie sicher und wirtschaftlich betrieben werden können – auch wenn dies mehr als 60 Jahre sind.

Bezahlbarkeit gewährleisten

Schliesslich ist die Bezahlbarkeit zu gewährleisten. Die Belastung eines durchschnittlichen Haus­halts mit Ausgaben für Energie (nicht nur Elektrizität) betrug bisher rund 1,1% des durchschnittli­chen Haushalteinkommens und dürfte in den letzten Monaten gestiegen sein. Eine allgemeine Deckelung der Energiekosten bietet sich dennoch nicht an; wirklich Bedürftige können im Rahmen bestehender sozialer Instrumente unterstützt werden.

Massnahmen wie eine intelligente Steuerung des Energieverbrauchs wirken preisdämpfend, indem Strom dann bezogen werden kann, wenn er im Überfluss vorhanden ist. Ausserdem werden dadurch Zusatzinvestitionen in die Energieinfrastruktur reduziert. Gerade die Strommarktöffnung für Kleinverbraucher könnte in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag leisten, führt sie doch zu mehr Wettbewerb und einer Beschleunigung der Einführung neuer Versorgungsmodelle. Wenig zielführend hingegen ist die Forderung nach einem Industriestrompreis. Ordnungspolitisch besser wäre es, die steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen zu ver­bessern, statt ihnen mit selektiven, marktverzerrenden Subventionen unter die Arme zu greifen.