Inwiefern stellte die Coronakrise eine Zäsur für die Schweizer Volkswirtschaft und den Schweizer Arbeitsmarkt dar? Muss der Sozialstaat, insbesondere die Arbeitslosenversicherung, oder das Arbeitsgesetz angepasst werden? Welche Veränderungen sind permanent, welche vorübergehend? Diese Fragen stehen im Zentrum der neusten Avenir-Suisse-Publikation «Voll fit? – Die Folgen der Corona- Pandemie für den Schweizer Arbeitsmarkt».

Kaum Entlassungen, aber weniger Arbeitsstunden

Mit Blick auf die üblichen Arbeitsmarktindikatoren ist von Covid-19 unmittelbar erstaunlich wenig zu spüren: Die Erwerbsquote hat nur kurzfristig während des ersten Lockdowns abgenommen, und der Anstieg der Arbeitslosenquote um 0,8 Prozentpunkte im Jahr 2020 war vergleichsweise moderat.

Jedoch sank 2020 das Arbeitsvolumen – also die Summe der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden – um 3,7%, was deutlich mehr ist als in vorherigen Rezessionen. Nicht alle waren im gleichen Ausmass betroffen: Gemäss den Studienautoren Marco Salvi, Valérie Müller und Patrick Schnell haben junge Erwachsene, selbständig Erwerbende und Angestellte in tiefen Pensen die Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt mehr als andere gespürt. Zwar hat das Konzept der «She-cession» – einer Rezession, die vorwiegend Frauen auf dem Arbeitsmarkt traf – in der Schweiz nur begrenzte Gültigkeit. Dennoch zeigte die Pandemie erneut deutlich, dass die Erwerbstätigkeit der Frauen stärker auf konjunkturelle Verwerfungen reagiert.

Kurzarbeit rettete 120‘000 Stellen

Bis zu einem Viertel der Beschäftigten waren während des ersten Lockdowns in Kurzarbeit. Ohne dieses Instrument wären rund 120’000 Arbeitsplätze verschwunden und die Arbeitslosenquote hätte die 5,5%- Marke erreicht (statt 3,3%). Dies hatte jedoch seinen Preis: Neben Kosten in Milliardenhöhe birgt Kurzarbeit immer die Gefahr einer Aufschiebung der Arbeitslosigkeit und somit eines kostspieligen Strukturerhalts. Vor diesem Hintergrund ist neben der Ausweitung der Bezugsdauer auf 24 Monate vor allem die Erhöhung der Kurzarbeitsentschädigung auf 100% des Lohnausfalls für niedrige Einkommen kritisch zu sehen. Zudem ist die Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosenentschädigung um bis zu 180 Taggelder seit Beginn der Pandemie mitverantwortlich für die längere Verweildauer der Betroffenen in der Arbeitslosigkeit.

Die Löhne sind 2020 nicht zurückgegangen, im Gegenteil: Inflationsbereinigt stiegen sie zum Vorjahr um 1,5%. Es gibt noch keine handfesten Hinweise auf eine Öffnung der Einkommensschere. Eine Auswertung amtlicher Daten zeigt, dass auch bei den tieferen Lohnklassen die Saläre zunahmen. Auch die Sozialämter haben bisher kaum eine zusätzliche Anspannung der wirtschaftlichen Situation einkommensschwacher Haushalte gespürt.

Dem Wunsch nach Flexibilität im Gesetz entgegenkommen

Beschleunigt hingegen hat die Pandemie den Trend zum Homeoffice. Während auf gewerkschaftlicher Seite die Sorge besteht, dass sich dies zuungunsten der Arbeitnehmer auswirke, hat die grosse Mehrheit der Erwerbstätigen mit dem Homeoffice gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch wenn nach Abklingen der Pandemie vermehrt von zu Hause aus gearbeitet wird, ist Präsenzzeit für die Jungen, die Mobilen und die Karrierebewussten weiterhin unabdingbar.

Eine Hürde für diese Flexibilisierung ist das bestehende Arbeitsgesetz. Es umfasst Konzepte und Begriffe, die typisch für die industrielle Epoche waren und die durch die Technologie, neue Arbeitsinhalte und die Gewohnheiten der Erwerbstätigen obsolet geworden sind.