Beunruhigt schaute der Samichlaus auf die Berge von Mandarinen, Datteln, Feigen, Erdnüssen, Äpfeln und Schokolade. Es war nicht so sehr die schiere Menge oder die Tatsache, dass nur noch wenige Stunden verblieben für die Vorbereitung, die ihn nervös machten, sondern ihn plagten Geldsorgen. Hatte er sich verkalkuliert, würde er an Weihnachten bei den Spielsachen für die Kinder Nordamerikas sparen müssen.

Seine Unruhe schlug abrupt in Ärger um, als bereits wieder einer der Elfen – diesmal war es Equester – mit einer langen Liste angerannt kam. Seine kleinen Fusstapfen waren kaum zu sehen, die Lichter des Samichlaus-Hauses drangen nur spärlich auf den frisch gefallenen Schnee am Nordpol. Der Samichlaus hasste den bürokratischen Kram, und es schien ihm, als wäre es jedes Jahr ein wenig mehr. Missmutig riss er Equester die Liste aus der Hand, schnappte sich eine Laterne und begann die Checkliste abzuarbeiten. Heute war Europa an der Reihe, und fein säuberlich waren für jedes Land die Importbedingungen für die Gaben aufgeführt. Die Zölle für den Import in die Länder der Europäischen Union waren gering oder inexistent, erleichtert schnaufte der Samichlaus auf. Doch da war auf seiner Route ja noch ein kleines Land, wie eine Insel, über das er sich jedes Jahr von neuem wunderte. Die Importtarife variieren nicht nur je nach Gabe und Herkunftsland, sondern auch nach Saison und Verarbeitungsgrad. Was für ein Durcheinander! Am liebsten hätte der Samichlaus die Insel auf seiner Route ausgelassen.

«Also», seufzte er, mehr zu sich selber als zum Elfen, der ihn erwartungsfroh ansah, «beginnen wir mit der Arbeit.» Zuerst die Mandarinen. Auf seiner Liste stand, dass er die meisten Mandarinen dieses Jahr aus Israel, der Türkei und Marokko bezogen hatte. Ein Import würde also mit 2 Fr. pro 100kg zu Buche schlagen. Der Samichlaus strich über seinen verknoteten Bart und schüttelte den Kopf. Denn seines Wissens wachsen auf der selbstgewählten Insel trotz Klimaerwärmung noch keine Mandarinen in einem Umfang, der es ihm erlauben würde, lokale Produkte zu nutzen. Er las weiter und stellte fest, dass die Früchte aufgrund der Pflanzenschutzbestimmungen zeugnis- und gebührenpflichtig sind. «Auch das noch!», fuhr es aus ihm heraus. Equester zuckte zusammen.

Immerhin waren die Datteln zollfrei – er hatte sie aus Nordafrika bezogen, auch die Feigen konnten, wenn frisch, ohne Gebühren importiert werden. Aber die getrockneten Feigen aus der EU mussten wieder mit 4 Fr. pro 100kg verzollt werden. Zum Glück waren die gerösteten Erdnüsse zollfrei einzuführen. Doch bereits beim kleineren Haufen mit Baumnüssen aus Frankreich verdüsterte sich seine Miene. «3 Fr. Zoll pro 100kg» stand da auf der Liste. Auch Äpfel wollte der Samichlaus verteilen, doch leider hatte Equester offenbar vergessen, dafür ein Zollkontingent zu beantragen. Ein Blick auf die Liste liess Schlechtes erahnen: 140 Fr. pro 100kg. Verärgert strich der Samichlaus die Position, «Undankbares Volk! Ich werde dafür ihren Nachbarn eine grössere Freude bereiten.»

Der Schnee begann zu knirschen, als sich der Samichlaus zum Schokoladeberg vorgearbeitet hatte. Equester war zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden. Es mussten ja noch die Esel bereitgemacht werden. In allen möglichen Formen und Farben gab es Schokolade-Sterne, -Herzen, -Tannzapfen und viele Varianten vom Samichlaus selbst – «… oder zumindest das, was die Produzenten für einen authentischen Samichlaus halten!», rief der Alte leicht belustigt und formte eine kleine Wolke aus warmer Atemluft. Die Heiterkeit verflog aber rasch, als er den Blick vom Schokoladeberg auf die Liste senkte. Er entliess einige gar nicht weihnächtliche Wörter in die Polarluft, gerade so leise, dass es die Elfen nicht hören konnten.

Samichlaus

Der Samichlaus auf dem Weg zu den Kindern. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Comet)

Nicht nur musste er den Schokoladeberg neu ordnen, sondern die ganze Sache wurde auch noch teurer als gedacht. Zunächst einmal musste unterschieden werden, ob es sich um Tafeln, Stengel, Riegel oder «andere» handelt. Ehrlich gesagt, war er sich bei einigen Süssigkeiten nicht sicher. War ein silberner Schokolade-Tannzapfen nun ein Stengel oder war er unter «andere» einzuordnen? Kaum war die Form geklärt, ging es darum, im fahlen Schein der Laterne den Milchbestandteil zu bestimmen, um die Gaben richtig zu tarifieren.

Da er die meiste Schokolade aus Belgien und Deutschland bezog, fielen dafür Zölle von bis zu 60.45 Fr. je 100kg Eigenmasse an. «Verd…!», entfuhr es ihm, dass die Elfen herausströmten. Verzweifelt erklärte der Samichlaus den hunderten an Elfen seine Notlage. Zu teuer und zu mühsam sei es, das eine Land mitten in Europa zu bedienen, er schlage deshalb vor, sich auf dem Weg nach Süden einfach weiter östlich oder westlich zu halten, so dass wenigstens die anderen Länder ihre Gaben erhielten und auch noch etwas Budget übrig bliebe für die Kinder in Amerika.

Apertus, einer der aufgewecktesten unter seinen Helfern, hatte eine Idee: «Wir sind doch so viele, weshalb begleiten wir Dich und den Schmutzli nicht, Samichlaus? Wir Elfen könnten doch jeder ein kleines Säcklein über die Grenze tragen, gerade so viel, dass es nicht zu verzollen ist. So sparst Du Geld und kannst trotzdem allen in Europa eine Freude bereiten.» Equester, der eher dem Bürokratischen zugeneigt war, holte Luft, um die Probleme der vorgeschlagenen Lösung aufzuzählen. Doch er kam gar nicht dazu. Der Samichlaus sprang vor Freude in die Luft – nun gut, er hob sich knapp über den Schnee – und rief: «Genau so machen wir es! Ausgezeichnet, Apertus!». Rasch zogen sich die Elfen für die Reise an, bepackten die Esel, und schon zog die bunte Schar los Richtung Europa.

Als sie so durch den Schnee stapften, hing der Samichlaus seinen Gedanken nach. Er nahm sich vor, Equester auf «der Insel» zu vergessen», denn dort würden dessen Kenntnisse sicher geschätzt.

Ho-Ho-Ho: Einen frohen Samichlaus-Tag und eine schöne Weihnachtszeit allen!