Die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen», über die wir am 9. Februar 2020 abstimmen, will in der Verfassung festschreiben, dass künftig zehn Prozent aller neu gebauten Wohnungen in der Hand staatlich subventionierter Bauträger – etwa Wohnbaugenossenschaften – liegen müssen. Das wäre eine Verdreifachung des gegenwärtigen Anteils. Für die Initianten soll damit «endlich mehr bezahlbarer Wohnraum für alle geschaffen werden». Aber was bleibt von der gutgemeinten Rhetorik übrig, wenn man diese Absichten einem ökonomischen Realitätstest unterwirft?

Das Positive vorweg: In der Tat sind die sogenannten «gemeinnützigen Wohnungen» für ihre Bewohner in der Regel günstiger als Wohnungen im Privatbesitz. In Zürich beträgt der Preisvorteil bei gegebener Qualität (Grösse, Lage) etwa ein Drittel. Doch die tieferen Wohnausgaben der (wenigen) einen kommen die anderen teuer zu stehen. Das ist alles andere als gemeinnützig.

Ungezielte Umverteilung

Einmal sind Wohnbaugenossenschaften denkbar schlechte Instrumente der Sozialpolitik: Ein Blick auf die Belegungsstatistiken in Zürich zeigt es: Einkommen und Vermögen der Bewohner von Wohnbaugenossenschaften unterscheiden sich kaum von denjenigen der übrigen Stadtbewohner. Beinahe ein Drittel der Genossenschafter gehört zum oberen Drittel der Einkommensverteilung. Eine signifikante Umverteilungswirkung ist nicht erkennbar; von gezielten sozialpolitischen Massnahmen kann keine Rede sein.

Die tieferen Wohnausgaben der geförderten Mieter kommen die anderen teuer zu stehen. Das ist alles anderes als gemeinnützig. (Teo Zac, Unsplash)

Wer in eine gemeinnützige Wohnung einziehen darf, entscheidet – bei künstlich angeheizter Nachfrage und unter schwammigen Vergabekriterien – vor allem der Zufall. Was als musterhafte wohnpolitische Massnahme angepriesen wird, verkommt zur Wohnlotterie mit geringen Gewinnchancen. Das ist keine Metapher: Bereits heute verlost die Stadt Zürich die Besichtigungstermine ihrer frei gewordenen Liegenschaften.

Hat man das Glück, in eine der begehrten «gemeinnützigen» Wohnungen einzuziehen, wird man diese kaum wieder verlassen, auch wenn sie dem eigenen Bedarf nicht mehr entspricht. Wer hingegen leer ausgeht, ist mit höheren Suchkosten konfrontiert. Dieser Lock-in-Effekt ist eine Immobilitätsprämie, die von der Allgemeinheit berappt wird.

Schliesslich ist auch für den Staat die Wohnlotterie nicht gratis zu haben. Weil Wohnbaugenossenschaften nicht günstiger als Privatinvestoren bauen (aber weniger Mieteinnahmen generieren), müssen sie auf einem kompetitiven Markt stets damit rechnen, dass sie beim Kauf eines Grundstückes überboten werden. Dass die Wohnbaugenossenschaften in Zürich in den letzten Jahrzehnten expandieren konnten, liegt vor allem an der Tatsache, dass sie von der Stadt vergünstige Darlehen und Baurechte erhalten haben. Das sind Mittel, die man anderswo gezielter hätte einsetzen können – sei es für Schulen oder Spitäler.

Wenig nachhaltige Politik

Doch das sind nur die unmittelbaren Auswirkungen einer systematischen Politik der «bezahlbaren» Wohnungen. Die Initiative, wenn angenommen, würde auch die künftige Bodennutzung massgeblich beeinflussen – sprich, sie würde an der Nachhaltigkeit der Städte selbst nagen. Denn es ist eine bekannte Erkenntnis aus der Umweltdebatte: Wenn wertvolle Ressourcen grossflächig unter Wert angeboten werden, muss man damit rechnen, dass sie verschwendet werden. Die «gemeinnützigen» Eigentümer sind keiner Rentabilität verpflichtet, deshalb zeigen sie sich gegenüber Preissignalen unempfindlich.

Demgegenüber reagieren private Eigentümer schneller auf die Verknappung des Baulandes, weil sie damit ihre Erträge erhöhen können. Wenn es die Bauvorschriften erlauben, leiten sie eine Verdichtung früher ein. In der Stadt der «bezahlbaren» Wohnungen wird man die Verdichtung immer mehr über den politischen Prozess erzwingen müssen. Die Genossenschafter, die auch Wähler sind, haben meistens keinen Anreiz, einer höheren Verdichtung zuzustimmen. Sie tragen schliesslich deren Kosten, erzielen daraus aber wenig Nutzen.

Damit wird die Neubautätigkeit auf die peripheren Lagen ausweichen müssen, was die Zersiedelung und den Pendelverkehr zusätzlich fördert. In den Zentren, wo viele Schweizerinnen und Schweizer leben möchten, wird somit einer künstlich angeheizten Nachfrage nach Wohnraum ein noch geringeres Angebot an Neubauten gegenüberstehen. Es braucht keinen besonderen ökonomischen Verstand, um zu ahnen, was dies für das allgemeine Mietniveau bedeuten wird.