Videocalls, Webinare und Onlineshopping – Covid-19 beschleunigt die Digitalisierung. Der technologische Fortschritt wird den Schweizer Arbeitsmarkt also auch in den kommenden Jahren verändern.
Neben einer hohen Flexibilität hat sich bisher ein weiteres Mal die Bildung als Mittel bewährt, um den Umwälzungen am Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Es erstaunt deshalb nicht, dass es zurzeit vermehrt unterschiedliche politische Bestrebungen für eine stärkere staatliche Weiterbildungsunterstützung gibt (z.B. von Ryser, Aebischer oder Silberschmidt).
Bevor aber vorschnell öffentliche Fördermittel gesprochen werden, gilt es folgende Punkte zu beachten: Erstens ist eine generelle staatliche Weiterbildungsoffensive nicht angebracht. Denn die Weiterbildungsaktivität ist in der Schweiz auch ohne staatliche Hilfsprogramme grundsätzlich hoch.
Zwar ging die Zahl der Fortbildungsteilnehmer während des ersten Lockdowns stark zurück, die Daten deuten jedoch eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte an. Zudem wird die grosse Mehrheit der Beschäftigten von ihrem Arbeitgeber sowohl finanziell wie auch zeitlich bei der Weiterbildung unterstützt.
Staatliche Förderung erhöht die Weiterbildungsbeteiligung nicht automatisch
Zweitens wird die Weiterbildungsteilnahme durch ein grösseres staatliches Engagement nicht automatisch gesteigert: Denn oft werden vor allem jene durch die Unterstützungsmassnahmen erreicht, die sich auch ohne Fördermittel weitergebildet hätten. Die öffentlichen Gelder ersetzen in diesem Fall die private Finanzierung, ohne zusätzliche Weiterbildungsaktivitäten auszulösen. Die Folge: Ein Teil der öffentlichen Mittel wird ineffizient eingesetzt.
Staatliche Weiterbildungsunterstützung sollte deshalb möglichst gezielt erfolgen, zum Beispiel bei jenen Gruppen, die selten oder gar nicht am lebenslangen Lernen teilnehmen und dadurch auf längere Frist vermutlich die Gefahr laufen, den Anschluss an das Erwerbsleben zu verlieren. Dazu gehören vorab Personen ohne nachobligatorische Bildung: Sie beteiligen sich deutlich seltener an Weiterbildung als Fachkräfte mit höherer Qualifikation. Zudem haben Niedrigqualifizierte grundsätzlich ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden. Investitionen in den Erhalt ihrer Arbeitsmarktfähigkeit können sich also auch aus gesellschaftlicher Sicht lohnen.
Geringqualifizierte werden mit Steuerabzügen kaum erreicht
Drittens können jene, die sich selten bis gar nie weiterbilden, nicht mit allen Förderinstrumenten gleich gut erreicht werden. Steuerabzüge zur Weiterbildungsförderung ergeben bei Niedrigqualifizierten keinen Sinn: Denn letztere haben meist tiefe Einkommen und zahlen ohnehin wenig (oder gar keine) Steuern, wodurch sie nicht oder nur in geringem Ausmass vom Förderinstrument Gebrauch machen können. Mit Steuerabzügen werden vor allem die Gutqualifizierten entlastet – also jene, die sich in der Regel sowieso oft weiterbilden. Vorschläge, die darauf abzielen, die Abzugsfähigkeit zu erhöhen – zum Beispiel mit einem Abzug von 150 Prozent der tatsächlichen Weiterbildungsausgaben – würden also neben Steuerausfällen vor allem zu hohen Mitnahmeeffekten führen.
Niedrigqualifizierte können besser erreicht werden, indem der Staat Gutscheine ausstellt, die sie bei einer Weiterbildungsteilnahme ihrer Wahl einlösen können. Diese können die Fortbildungsaktivität steigern und werden auch von Gruppen eingesetzt, die sich bisher kaum weiterbildeten. Auch bei Gutscheinen ist es jedoch wichtig, die Anspruchsgruppe möglichst eng einzugrenzen, damit die Unterstützung gezielt erfolgt und die Mitnahmeeffekte minimiert werden können.
Eigenverantwortung steht vor staatlich finanzierter Weiterbildung
Die Weiterbildung wird auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen, um mit den technologiegetriebenen Veränderungen im Arbeitsmarkt zurechtzukommen. Anstelle von breitangelegten staatlichen Förderprogrammen, die letztlich durch die Steuerzahlenden zu berappen sind, sollten wir bei der Weiterbildung auch zukünftig in erster Linie auf die Eigenverantwortung der Unternehmen und Individuen setzen. Denn diese wird gut wahrgenommen. Eine staatliche Bildungsunterstützung während des Erwerbslebens ist also nur bei jenen Gruppen gerechtfertigt, die selten oder gar nicht am lebenslangen Lernen teilnehmen und dadurch auf längere Frist vermutlich nicht mehr mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt mithalten können.
Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Publikation «Weiterbilden, aber gezielt».