Nur neunmal in der 163-jährigen Geschichte des Schweizer Bundesstaates änderte sich die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates. Und dank der Konkordanz konnte sich die Landesregierung meist auf mehr als 80 Prozent der Bundesversammlung stützen. Das sind zwei der Eigenheiten des schweizerischen Regierungssystems, die ein Plakat darstellt, das der eben erschienenen Ausgabe des neu gestalteten «avenir aktuell» beiliegt.

Die FDP Schweiz ist weltweit die Partei, die sich am längsten ununterbrochen in der Regierung hielt. Das erste Parlament des 1848 gegründeten schweizerischen Bundesstaates bestand zu mehr als vier Fünfteln aus Angehörigen der «freisinnigen Grossfamilie», aus der später die Freisinnig-demokratische Partei und die Liberale Partei hervorgingen. Deshalb wählte die Bundesversammlung sieben Freisinnige in die Landesregierung – eine Machtkonstellation, die danach 43 Jahre lang so anhielt.

Oppositionelle werden zu Landesvätern

Nach der demokratischen Bewegung gegen die Vorherrschaft der Liberalen brachte die erste Totalrevision der Bundesverfassung von 1874 das Referendum: Das Volk konnte damit Gesetze von Regierung und Parlament in der Abstimmung verwerfen. Die Referendumsdrohung veränderte – als Schweizer Eigenart – das Regierungssystem entscheidend: Der Bundesrat musste sich auf grosse Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments stützen können, sollten die Vorlagen nicht in der Volksabstimmung scheitern.

Eine starke Opposition, die auf Obstruktion machte, musste deshalb als Regierungspartei in den Bundesrat einbezogen werden. Das geschah erstmals 1891, nachdem die Katholisch-Konservativen (KK) im Kulturkampf knapp zwei Jahrzehnte lang grundsätzlich alles abgelehnt hatten, was «von Bern oben» kam, und die Mehrheit der Freisinnigen im Ständerat auf noch 24 von 44 Sitzen geschrumpft war. Joseph Zemp, der die Opposition gegen die Verstaatlichung der Eisenbahnen angeführt hatte, kam als erster Vertreter der KK in den Bundesrat – und brachte 1898 die Vorlage, die er bekämpft hatte, beim Volk durch.

Die Zauberformel galt 44 Jahre lang

Die Mehrheit von FDP und KK in der Bundesversammlung betrug danach 95 Prozent. Aber sie schrumpfte nach Einführung der Proporzwahl des Nationalrates 1919 wieder auf 60 Prozent. Deshalb kam 1929 Rudolf Minger in den Bundesrat, als Vertreter der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB, die er selber gegründet hatte. Und 1943 wählte die Bundesversammlung mit Ernst Nobs den ersten Sozialdemokraten in die Landesregierung. Ab 1959 galt schliesslich die Zauberformel mit je zwei Vertretern der FDP, der KK/CVP und der SPS sowie einem BGB/SVP-Mann, der mit Ausnahme von Leon Schlumpf immer aus dem Kanton Bern kam. Diese Formel, eines der Erfolgsrezepte der Schweiz, hielt 44 Jahre lang. Sie musste erst 2003 angepasst werden, weil die SVP ihren Wähleranteil innert zwölf Jahren verdoppelt hatte und als potenziell obstruktive Opposition eine angemessene Vertretung forderte.

Sonderfall Schweiz, grafisch gezeigt

Diesen Schweizer Sonderfall stellt ein Plakat dar, das der neuen Ausgabe von «avenir aktuell» beiliegt. Sowohl der Newsletter als auch das Plakat separat lassen sich kostenlos bestellen, auch in grösseren Mengen, etwa für den Einsatz im Unterricht. Für die eidgenössischen Wahlen vom 23. Oktober und vor allem für die Bundesratswahlen am 14. Dezember gilt: Die politische Stabilität brachte der Schweiz ökonomischen Erfolg, weil sie Sicherheit für die Unternehmen und Wettbewerbsvorteile für das Land bietet. Die Schweizer sollten deshalb die Konkordanz weiter pflegen – sie, wie es der Politikwissenschafter Michael Hermann in der Studie «Konkordanz in der Krise» von Avenir Suisse empfiehlt, «nicht abschaffen, sondern revitalisieren».

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