Diese Aussage machte Wilhelm Röpke vor gut 50 Jahren, um seinem Missfallen über den Stil der wirtschaftspolitischen Debatte Ausdruck zu verleihen. Sie gilt heute wahrscheinlich noch mehr als damals, wie am Begriff des Neoliberalismus kurz erläutert werden soll.

Es ist unter vielen Politikern, Intellektuellen und Sozialromantikern schon seit längerem – vor allem aber im Zuge der Finanzmarktkrise – chic geworden, dem Neoliberalismus die Schuld für alles, was in den letzten Jahren falsch gelaufen ist, in die Schuhe zu schieben. Er sei die Ideologie der geldgierigen Banker, Spekulanten und Abzocker, das Konzept marktgläubiger Ökonomen und die Philosophie von Reichen, die allesamt den Staat ins Pfefferland wünschten. Mit der Verteufelung des Begriffs, so die Überzeugung, lasse sich nicht nur die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise erklären, sondern damit sei auch bereits der Schlüssel zur Lösung der drängenden Probleme gefunden. Kaum je wird gefragt, was unter Neoliberalismus eigentlich genau zu verstehen ist. Bekanntlich schadet der politischen Auseinandersetzung nichts so sehr wie die Verachtung von Fakten. Deshalb geht es in diesem Beitrag darum, den Neoliberalismus einerseits aus seiner ideologischen Verbannung zu befreien und anderseits dessen tragende Prinzipien kurz in Erinnerung zu rufen.

Grundsätzlich sollte man mit allen «Ismen» – Keynesianismus, Sozialismus, Idealismus, Konservatismus, Ökologismus usw. – vorsichtig sein, weil es sich kaum je um klar fassbare, konsistente Denk- und Theoriegebäude handelt. Nicht selten sind es bösartige Zuschreibungen der anderen Seite, wie dies für den Neoliberalismus ohne Zweifel zutrifft. Dabei hat es «den» Neoliberalismus gar nie gegeben, wie Michael Wohlgemuth und Joachim Zweynert in einem lesenswerten Artikel schreiben¹. Dogmengeschichtlich müsse zwischen den Lehren der Chicago-Schule (Stigler, Friedman) und dem deutschen Neoliberalismus eines Wilhelm Röpke und Walter Eucken unterschieden werden.

Beide Schulen entstanden unter dem Eindruck der grossen Depression der 1930er Jahre . Erstere verstand sich als Reaktion auf Keynes und seine Rezepte zur Überwindung von Wirtschaftskrisen. Sie befürwortete tatsächlich eine Zurückdrängung des Staates aus dem Wirtschaftsleben. Letztere war der Versuch, ein neues Gesellschaftskonzept im Sinne eines «Dritten Weges» zwischen «Laisser-faire»-Kapitalismus und Sozialismus zu definieren.

Der Ausdruck «Neoliberalismus» existiert seit 1938, als sich einige Sozialwissenschafter (Röpke, Hayek, Mises usw.) in Paris zu einem Kolloquium trafen, um dem Manchester-Kapitalismus eine positive, sozial verantwortliche Neuausrichtung des Liberalismus entgegen zu stellen. Ihnen schwebte ein Ordnungsrahmen vor, mit dem der Staat den privaten Akteuren klare, transparente und verlässliche Regeln vorgibt, um Fehlanreize zu minimieren. Zentral dabei waren nicht nur das Haftungsprinzip, solide Staatsfinanzen, massvolle Steuern, Schutz des Eigentums usw., sondern auch die Überzeugung, dass Wettbewerb eine «staatliche Veranstaltung» sein muss, weil die Marktteilnehmer versuchen, den Wettbewerb auszuschalten.

Wenn die heutige Staatsschuldenkrise bewältigt werden soll, wäre die Rückbesinnung auf einige dieser Prinzipien ohne Zweifel hilfreicher als die moralische Empörung über den «Neoliberalismus» auf dem Paradeplatz oder dem Lindenhof.

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¹ Wohlgemuth, Michael/Zweynert, Joachim: Wohlverstandener Neoliberalismus statt falsch verstandener Keynesianismus. Anmerkungen zur (politischen) Ökonomie der aktuellen Krise, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 8, 2009.