So wichtig die rein wirtschaftlichen Funktionen der Unternehmer sind, genügen sie kaum, um in der politischen Debatte Verständnis, ja Sympathie für die Unternehmerschaft zu gewinnen. Nicht nur die veröffentlichte, sondern wohl erst recht die öffentliche Meinung erwartet, dass Unternehmer auch jenseits von Angebot und Nachfrage, also in Politik, Gesellschaft und Kultur Verantwortung wahrnehmen.

Gottlieb Duttweiler

Gottlieb Duttweiler (© Migros-Genossenschafts-Bund)

1.       Gesellschaftliche Verantwortung: Tue Gutes und rede darüber!

Wie bereits in einem früheren Teil dieser Artikelserie dargelegt, ist das berühmte Diktum von Milton Friedman, wonach die soziale Verantwortung der Unternehmen darin bestehe, Gewinne zu erzielen, im Grundsatz richtig. Aber Unternehmen und jene, die sie führen, sind auch in ein Gemeinwesen eingebettet. Und dieses erwartet zu Recht etwas von ihnen, denn Menschen sind soziale Wesen und sie verdanken dem Gemeinwesen viel –  im europäischen Kontext vielleicht noch mehr als im amerikanischen.

Deshalb ist es wichtig, dass sich Unternehmer und Manager nicht um das Gemeinwesen foutieren. Sie sollten vielmehr mit einem öffentlichen Engagement zur Legitimation der Marktwirtschaft beitragen, denn in einer Demokratie braucht es die Akzeptanz der Mehrheit für das System. Wirtschaftsführer sollten sich als Privatpersonen mit ihrer Zeit, ihrem Können und ihren finanziellen Mitteln für die Allgemeinheit einsetzen. Die Akzeptanz der liberalen Wirtschafts-  und Gesellschaftsordnung wäre wesentlich höher, wenn sich  Unternehmer und Manager mehr als Mäzene und Förderer betätigen würden, im sozialen Bereich, im Sport, in der Kunst oder in der Wissenschaft.  Als Beispiele seien hier so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Gottlieb Duttweiler (Foto) und Max Schmidheiny genannt: Sie waren nicht nur hervorragende Geschäftsleute, sondern engagierten sich daneben auch in der Politik, waren national und lokal im Gemeinwesen verankert, förderten Kultur, Bildung und Sport und entwickelten eine Fülle sozialer Aktivitäten.

Eine Herausforderung besonderer Art stellt in diesem Zusammenhang die zunehmende Dichte international tätiger Unternehmen in der Schweiz dar, von ausländischen ebenso wie von schweizerischen. Deren Führungskräfte sind zum Teil „heimatlose Gesellen“ geworden. Der Fokus dieser Unternehmen ist – berechtigterweise – nicht mehr nur auf die Schweiz gerichtet, die zudem auch in ihrer Funktion als Sitzstaat für die Unternehmen an Bedeutung verloren hat. Diese Schwerpunktverlagerung zeigt sich im veränderten gesellschaftlichen Engagement der Kaderleute: Während in der Schweiz 1997 noch 55% der Führungskräfte Freiwilligenarbeit leisteten, waren es 2010 nur noch 38%.

2.       Politische Verantwortung: Engagement im Schweizer Milizsystem

Neben der gesellschaftlichen zählt auch die politische Mitwirkung zu den Verantwortungen von Unternehmern. Ein Unternehmer ist nie nur Produzent, sondern gleichzeitig auch Konsument und eben auch Staatsbürger. Natürlich führt dies zu einem gewissen Spannungsverhältnis. Doch das Schweizer Politsystem ist so angelegt, dass es geradezu verlangt, dass diese Spannung ausgehalten wird und dass das Gemeinwesen nicht zu kurz kommt. Der politische Staatsaufbau der Schweiz verlangt ein aktives Engagement im Milizsystem. Erforderlich ist – weit über das blosse, wenn auch durchaus legitime Lobbying hinaus – ein Einsatz in Parteien, Verbänden, Vereinen, auf allen Ebenen des Staates. Eigentlich sollte diese politische Mitgestaltung der Unternehmer eine Selbstverständlichkeit sein, schliesslich können ihnen die Rahmenbedingungen, in denen sie agieren, nicht gleichgültig sein. Politisches Engagement meint hier allerdings explizit nicht das Anstreben einer wohlfahrtsstaatlichen Sonderregelung oder gar einer monopolistischen Vormachstellung, sondern das Eintreten für eine liberale Wirtschaftsordnung, denn die Durchsetzung zu eng definierter, kurzfristiger Partikularinteressen schadet letztlich der Legitimität und der Akzeptanz der freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Ordnung.

Die Internationalisierung der Unternehmenslandschaft hat auch Auswirkungen auf die politische Mitwirkung. Erstens ist für international tätige Unternehmen die politische Einflussnahme fast nur noch auf Bundes- und Kantonsebene von Bedeutung, die Gemeindeebene verliert demgegenüber naturgemäss an Relevanz. Zweitens fehlt es den Wirtschaftsführern auch zunehmend an der nötigen Zeit – und lokalen Präsenz – für die Ausübung eines politischen Mandates.

3.       Ethische Verantwortung: Die Vorbildfunktion der Elite

Moral, Sitte, Anstand und Stil sowie Recht und Gesetz gelten für Unternehmer nicht weniger als für andere Menschen – im Gegenteil. In Anbetracht des grossen Einflusses der wirtschaftlichen Führungskräfte, ihrer Macht und ihrer öffentlichen Wirkung richten jene unter ihnen, die gegen das Moralempfinden breiter Bevölkerungskreise verstossen, jeweils viel grösseren Schaden an als der durchschnittliche Bürger. Ein besonders vorbildliches Verhalten kann dagegen dazu beitragen, Angriffsflächen zu reduzieren, Neid oder Schadenfreude zu entschärfen und die marktwirtschaftliche Ordnung insgesamt sozialverträglicher, vor allem aber breiter akzeptiert zu machen. Das Fehlverhalten der Eliten, zumal im Finanzsektor, zerstört letztlich das Vertrauen der Bürger in diese Ordnung. Gerade weil die Welt zunehmend stärker verflochten ist, erhält das öffentliche Einstehen von Führungskräften der Wirtschaft für die zentralen geistigen und moralischen Grundwerte des Abendlandes eine besondere Bedeutung

4.       Zwischenmenschliche Verantwortung: Fingerspitzengefühl

Als letzter Punkt sei hier das Fingerspitzengfühl hervorgehoben, das jeder verantwortungsvolle Unternehmer aufweisen sollte. Da Führungskräfte oft unangenehme Wahrheiten vermitteln müssen, ist es wichtig, dass sie eine hohe soziale Sensibilität entwickeln. Ökonomische Logik  kann manchmal sehr schmerzhaft sein, deshalb sollte sie zwar mit kühlem Kopf, aber zugleich doch auch mit warmem Herzen durchgesetzt werden. Ein Unternehmer braucht Einfühlungsvermögen und  das Gespür für den rechten Ton. Er muss sich bemühen, unangenehme, aber notwendige Entscheide nicht hinauszuschieben oder womöglich ganz zu vermeiden, sondern vernünftig abzufedern. Vor lauter Verstand darf die Menschlichkeit nicht vergessen gehen.  Vielleicht ist das die wichtigste Verantwortung des Unternehmers – jenseits von Angebot und Nachfrage.