Die Schweiz ist alles andere als ein Steuerparadies für Unternehmer. Sowohl Kapital als auch Vermögen werden stark belastet. In seiner Publikation «Kapital und Kapitalsteuern» beziffert Marco Salvi den Grenzsteuersatz bei Kapitalerträgen in der Schweiz auf 57%. Pro zusätzlich erwirtschaftetem Franken fliessen ökonomisch gesehen 57 Rappen in Steuern – auf Unternehmensgewinne, Dividenden der Aktionäre und auf Aktionärsvermögen.
Wahres Unternehmertum wird benachteiligt
Avenir Suisse und die Genfer Handels- und Industriekammer (CCIG) organisierten im Dezember 2015 ein Seminar zum Thema «Die Kapitalbesteuerung von Unternehmern». Wenig überraschend wurde dabei festgestellt, dass die Besteuerung hoch ist. Die Schweiz ist eines der letzten Länder, das an der Vermögenssteuer festhält. Diese wirkt jedoch entmutigend und ist kontraproduktiv, weil sie die persönliche Steuerbelastung der einheimischen Unternehmer massiv erhöht. Im Kontext des internationalen Wettbewerbs brauchen sie jedoch Steuerlösungen, die ihre Geschäftstätigkeiten nicht benachteiligen und ihre Motivation, langfristig aktiv zu bleiben, nicht untergraben.
Auf den Aktionären und Gesellschaftsinhabern lastet eine doppelte Besteuerung im Quadrat, sofern diese im Unternehmen beschäftigt sind. Ein Vermögenswert kann bis zu viermal besteuert werden: Auf der Ebene der Firma in Form von Gewinn- und Kapitalsteuern, auf der Ebene des Unternehmers selbst durch die Besteuerung von ausgeschütteten Dividenden sowie von Vermögen, wovon auch der Unternehmenswert Teil ist. Hinzu kommt die Einkommenssteuer infolge Lohnzahlungen an den Unternehmer selbst.
Aufgrund dieser harten Steuerberechnung ist es möglich, dass ein Inhaber gezwungen ist, eine Steuersumme zu zahlen, die im Ganzen höher ist als sein Einkommen und seine Dividenden zusammen. Die Steuerfalle betrifft alle, Gross- wie Kleinunternehmer, Startups gleichermassen wie etablierte Firmen. Je besser es einem Unternehmen geht (namentlich durch das Realisieren eines grossen Gewinnes), desto mehr wächst dessen Steuerwert und umso höher wird die Rechnung der Vermögenssteuer. Sofern der Unternehmer die Firma als Inhaber betreibt, handelt es sich dabei jedoch nur um eine virtuelle Wertsteigerung. Den Inhaberfamilien grosser privater Unternehmen (z.B. Patek Philippe oder Kudelski) ist es hoch anzurechnen, dass sie ihren Geschäftssitz in der Schweiz beliessen und so Arbeitsplätze bewahrt haben, obwohl die persönliche steuerliche Belastung wesentlich höher ist als im Ausland.
Steuerhölle für Startups
Für Startups ist das Problem noch gravierender: einigen erfolgsversprechenden Jungunternehmen gelingt es, für beträchtliche Summen Investoren zu finden, obwohl sie weder über nennenswerte Geschäftszahlen verfügen noch Gewinne realisieren. Jedoch benützen einige kantonale Steuerbehörden die Bewertung des Unternehmens durch risikofreudige Investoren, um das Vermögen eines Startup-Gründers zu besteuern. Zum Beispiel: Der Wert eines Startups, dem es gelungen ist, für 10% seines Kapitals eine Million Franken an Investitionen zu erhalten, wird bei 10 Millionen Franken, das heisst 100%, festgelegt. Dem Unternehmensgründer ist es so unmöglich, entsprechende Vermögenssteuern zu zahlen. Um die Steuern begleichen zu können, muss er sich verschulden oder zusätzliche Unternehmensanteile verkaufen. Als Alternative bleibt ihm höchstens die Verlegung des Firmenstandortes ins Ausland.
Das Schweizer Steuersystem ist so durchdacht, dass manche Unternehmer lieber ihre Firma verkaufen, als sie über lange Zeit zu betreiben, um sie der nachfolgenden Generation zu übergeben. Schuld an diesem Missstand ist vor allem die Vermögenssteuer. Sie gehört abgeschafft – so, wie es zahlreiche Staaten während der letzten zwanzig Jahre gemacht haben. Nur noch vier Mitgliedstaaten der OECD halten weiterhin an der Vermögenssteuer fest: die Schweiz, Norwegen, Spanien (Wiedereinführung 2015) und Frankreich, das allgemein als Steuerhölle bekannt ist. Immerhin hält Frankreich für Unternehmer eine besondere Lösung bereit: Vermögen, das im Sinne eines «Arbeitsmittels» (outil de travail) im Unternehmen gebunden ist, wird von der Vermögenssteuer befreit. Die Schweiz könnte sich für einmal von Frankreich inspirieren lassen.
Um die Entmutigung und die Flucht der Unternehmer zu verhindern, sind Massnahmen unerlässlich. Mindestens das Schlimmste gilt es zu verhindern: Man muss sich davor hüten, die bestehende hohe Steuerlast durch weitere Fiskalabgaben, zum Beispiel auf Erbschaften oder Kapitalgewinne, zu erhöhen. Auf lange Sicht wäre ein neuer Steuerpakt für die Unternehmer wünschbar und wichtig. Sobald die Unternehmenssteuerreform III abgeschlossen ist, gilt es, dieses Feld weiter zu beackern und auf kantonaler Ebene intelligente und dynamische Besteuerungsinstrumente anzustreben, die geeignet sind, die Vermögenssteuer zu ersetzen. Es ist jedoch zwingend, dass dies in der Logik eines Ersatzes von Altem durch Neues geschieht – und nicht eine weitere Besteuerung hinzugefügt wird.
Alternativen zur Vermögenssteuer
Es gibt Alternativen zur Vermögenssteuer (siehe die Vorstösse im Schweizer Parlament basierend auf den Überlegungen von Professor Xavier Oberson, «Le Temps» vom 4.12.2014). Mehrheitlich präferiert wird eine Abschaffung der Vermögenssteuer, mindestens für die «zu Unternehmenszwecken eingesetzten Vermögenswerte», zugunsten einer dynamischen Besteuerung von Kapitalgewinnen – mit Degression hinsichtlich der Dauer der Unternehmensinhaberschaft, um die Beständigkeit zu fördern. Alternativen wären eine moderate Besteuerung von Erbschaften oder eine Neubewertung von Immobilien.
Ein raffiniertes Modell wäre es, natürlichen Personen zu erlauben, die Vermögenssteuern auf die Einkommenssteuern anzurechnen. Dies würde wirtschaftlich gesehen zur Schaffung einer Art «Minimaleinkommenssteuer» führen und hätte den Vorteil, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Bereits sehen elf Kantone für Unternehmen die Anrechnung der Kapitalsteuer an die Gewinnsteuer vor.
In seinem Buch «L’impôt heureux» zitiert der waadtländische Finanzvorsteher Pascal Broulis den römischen Imperator Tiberius: «Die Aufgabe eines guten Schäfers besteht darin, seine Schafe zu scheren und nicht, sie zu schinden». Durch die Vermögenssteuer wird mit Unternehmen in der Schweiz jedoch Letzteres gemacht. Es wird Zeit, diese Praxis zu ändern.