«Abfallweltmeisterin Schweiz» – der selbstverliehene Titel findet sich in etlichen Zeitungsartikeln wieder. Sowohl in der Menge als auch beim Recyclingvolumen landet die Schweiz je nach Zählweise weltweit auf den vorderen Rängen. Doch wie effizient ist die Schweiz tatsächlich? Wieviel lassen wir uns das Abfallsammeln kosten?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie sich ökologische Probleme am effizientesten lösen lassen. In der Abfallverordnung (VVEA) hat der Bundesrat für etliche Abfallstoffe die Separatsammlung festgeschrieben. Die Sortierleistung erfolgt in diesem System nicht maschinell, wie etwa in einigen US-Bundesstaaten üblich, sondern wird den Privaten, also den Haushalten und Verbrauchern überlassen. Obwohl tief in der Bevölkerung verankert, ist dieses System mit Nachteilen behaftet.

Schätzt man etwa die Kosten für die private Sortierleistung, ergeben sich Zahlen in ungeahnter Grössenordnung. In unterschiedlichen Umfragen wurde der Zeitaufwand verschiedener Sammlungssysteme erfasst. Wählt man nun einen der anwendbaren Stundenansätze (Haushaltsarbeit, Mindestlohn von Reinigungsarbeit, Medianlohn etc.), liegen die jährlichen Kosten je nach dem zwischen 3,2 und 5 Mrd. Franken. So viel unbezahlte Arbeitskraft stecken die Schweizer Haushalte aggregiert in die Sammlung, Aufbewahrung und Trennung des Abfalls – gesetzlich verpflichtet durch das staatliche Abfallmonopol und vom Bundesrat verordnet.

Dabei ist das Resultat dieser «Separierungswut» unbefriedigend. Rund 50% des entsorgten Kehrichtsackes wäre stets noch rezyklierbar (Bafu 2014). Ob der durchschnittliche Schweizer Haushalt mit den vorgeschriebenen zwölf Separatsammlungssystemen überfordert ist oder schlichtweg das Interesse verloren hat, sei dahingestellt. Die grossen Mengen an Papier und biogenem Abfall, der verloren gehen, stellen dem Separatsammlungssystem schlechte Noten aus: Es ist ineffizient und teuer.

Kunststoff-Recycling ist nicht in jedem Fall die beste Wahl, die Kosten jedoch sind hoch. (Unsplash)

Shampooflaschendeckel-Separatsammlung

Gut gemeinte, aber schlecht durchdachte Vorstösse im Parlament verschärfen das Problem weiter. Der neuste Surfer auf der «grünen Welle» ist das Kunststoffrecycling. Durch die weitere Differenzierung der Separatsammlung soll die Schweizer Umweltbilanz verbessert werden. Es steht auch eine Vielzahl von möglichen Profiteuren staatlicher Gelder mit der hohlen Hand bereit. Für die Umwelt ist der Nutzen jedoch überschaubar. So melden sich gar Vertreter der Umweltorganisation Greenpeace und sprechen sich gegen das Kunststoffrecycling aus.

Bedenkt man, dass 46% der Masse des Plastikmülls in den Ozeanen aus Fischnetzen besteht (Nature 2018), spielen hiesige Plastikröhrchen und Plastiksäcke eine klar untergeordnete Rolle im globalen Kunststoffproblem. Sämtliche Flüsse Amerikas und Europas tragen zusammen knapp ein Prozent des weltweiten Abfalls in die Meere (Lebreton et al. 2017). Auch mit einem reinen Schweizer Fokus stammen mehr als 90% des Mikrokunststoffes vom Reifenabrieb (Empa 2019) – ein Problem, welches sich mit einem separatem Kunststoffrecycling nicht lösen lässt.

Das Interesse an Plastikrecycling ist zwar bei Verbrauchern riesig, aber diese Erweiterung der Separatsammlung wird zusätzliche Kosten verursachen. Die Kosten pro Tonne separat gesammelten Kunststoffs belaufen sich auf etwa 500 Franken (Bunge 2019). Mit rund 460’000 Tonnen jährlichen Kunststoffabfalls würden die direkten jährlichen Kosten wohl 200 Mio. Franken übersteigen – von der privaten Sammelleistung ganz zu schweigen. Die Grundproblematik wird dabei nur symbolisch angegangen. Damit reiht sich das Kunststoffrecycling passend in das bestehende System der Separatsammlung ein: Es ist ineffizient und teuer.

Gehen wir in die richtige Richtung?

Am anderen Ende einer immer differenzierteren Separatsammlung steht das sogenannte Single-Stream-Recycling. Sämtlicher Abfall wird in einer Tonne gesammelt und dann an einer zentralen Stelle per Hand und Maschine getrennt. Vielfach werden von Recyclingvertretern die Bedenken geäussert, dass der Verbraucher in einem Single-Stream-System den Respekt vor dem Abfall verlöre, weil er alles nur noch in ein, zwei Tonnen werfen könnte. Diese Angst ist jedoch wenig begründet. So findet eine ältere Studie bei der Systemumstellung von einer relativ differenzierten Separatsammlung zu einer Single-Stream-Sammlung eine 15%-Erhöhung der Rezyklierungsrate (Oskamp 1996). Aber auch neuere Studien bestätigen das gestiegene Volumen beim Wechsel auf Single-Stream bzw. der Vereinfachung der Sammlungsprozesse durch Single-Stream (Bell et al. 2017).

Von staatlicher Stelle ist jedoch weder das eine noch das andere Extrem zu wünschen. Viel besser wäre es, Ziele festzuschreiben und die Methoden nicht per Gesetz zu verankern. In der Schweiz wird der Druck auf ein Mehr an Separatsammlung aber immer grösser. Auf Effizienz und tatsächlichen Umweltnutzen wird dabei weniger geachtet. Das schlechte Gewissen lässt sich mit der Ersatzhandlung des separaten Kunstoffrecyclings gut beruhigen. Die hohen Kosten tragen mehrheitlich andere. Nur die Umwelt hat von dem ganzen Brimborium leider herzlich wenig.