Nicht erst seit der verstärkten Sensibilität für Umweltthemen aufgrund der Klimabewegung stehen Fragen rund um Recycling und Entsorgung im politischen Fokus. Die Schweiz kann dabei auf eine lange Tradition der Wiederverwendung von Wertstoffen zurückblicken, die entsprechende Gesetzgebung ist seit jeher streng, die Recyclingquoten im internationalen Vergleich hoch. Allerdings dreht sich die öffentliche Diskussion fast ausschliesslich um ebendiese Quoten, politische Vorstösse zielen in der Regel ausschliesslich auf eine noch weitere Erhöhung und ein noch umfassenderes Recycling-Regime ab.

Die Tendenz dabei ist klar: Mehr Zentralismus und mehr staatliche Regulierungen sollen es richten. Die Frage nach dem Verhältnis von Kosten und Nutzen sowie nach der optimalen Organisationsform wird praktisch nie gestellt. Um dies zu ändern, wurde diese Blogserie erarbeitet.

Das Prinzip des Recyclings und Bemühungen hin zur Kreislaufwirtschaft werden dabei nicht in Frage gestellt, doch wie in allen Bereichen sollte eine gute Wirtschaftspolitik das ökonomische Optimum anstreben, da ansonsten Ressourcen verschwendet werden.

Der Fortschritt hat vor den Entsorgungskonzepten nicht halt gemacht: Hofstand-Gefässe von J. Ochsner & Cie AG, Zürich, ca. 1940. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Folgende ordnungspolitischen Grundsätze können bei der Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens für die Abfallbewirtschaftung eine Leitlinie sein:

  • Besser ist es, die Ziele statt der Methoden der Abfallbewirtschaftung Verankert man gewisse Zielgrade des Abfalls- und Recyclingwesens, kann man die Umsetzung und die Systemwahl den Kantonen, Gemeinden oder gar Privaten frei überlassen. So wird die Subsidiarität gestärkt und es entsteht Ideenwettbewerb. Ausserdem wird die Regulation so technologieneutral ausgestaltet.
  • Ansonsten muss die getroffene Regulierung im Sinne einer guten Governance in regelmässigen Abständen überprüft werden, um
    • dem technologischen Fortschritt produktseitig Rechnung zu tragen (z.B. umweltfreundlichere Inhaltsstoffe von zu entsorgenden Produkten).
    • den technologischen Fortschritt in Bezug auf die Recyclingtechnologie zu überprüfen (z.B. kostengünstigere Verfahren setzen neue Anreize der Sammlung durch Altstoffhändler).
    • das geänderte Kaufverhalten der Konsumenten (z.B. Einkauf über bisher nicht erfasste Kanäle, Kauf von neu entwickelten Substituten) zu berücksichtigen.
  • Konsumenten sollten in die Verantwortung genommen und die Konsumentensouveränität gewahrt werden. Dazu müssen vor allem die richtigen Anreize gesetzt werden, bevor regulatorisch Gebote oder Verbote zur Anwendung kommen. Ebenso ist die Verhältnismässigkeit der potenziellen Sanktionshöhe zu wahren.
  • Für die Konsumenten sollten die Anreize für eine ungeordnete Entsorgung umso geringer sein, je höher die Externalitäten einer unsachgemässen Entsorgung auf die Umwelt sind. Dies bedeutet für wenig oder nicht umweltschädliche Produkte höchstens eine Ex-post-Belastung (diese kann wegfallen, falls der Wert der Stoffe höher ist als der Recyclingaufwand), für Güter mit hohen Externalitäten eine Ex-ante-Gebühr oder sogar die Einführung eines Depots (positiver Anreiz zur Rückgabe).
  • Die Transaktionskosten der geordneten Entsorgung sollten möglichst tief sein. Dazu gehören die unkomplizierte Rückgabe von Altstoffen sowie ein dichtes Netz an Rückgabestellen mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten. Demgegenüber stehen aber die Kosten für den Betrieb des Systems. Aus Konsumentensicht muss eine optimale Balance zwischen Anreizen, Transaktionskosten und Betriebskosten des Systems gefunden werden.
  • Entsorgung und Recycling i.e.S. soll privatwirtschaftlich organisiert sein, staatliche Unternehmen oder gar in die Verwaltung integrierte Organisationen sind zu vermeiden. Denn private Akteure können diese Aufgabe auch wahrnehmen, in diesem Punkt liegt kein Marktversagen vor, das ein Eingreifen des Staates mit eigenen Unternehmen rechtfertigt (Crowding-Out). Mindestens sollten die Entsorgungs- und Recyclingaufgaben durch die öffentliche Hand regelmässig ausgeschrieben werden.
  • Anbieter von Recycling-Systemen sollten eine grosse Nähe zu den Herstellern oder Verkäufern der Produkte haben, um die weiter oben genannten Trends in Sachen technologischer Fortschritt und Kaufverhalten der Konsumenten möglichst rasch zu erkennen und darauf reagieren zu können. Recycling-Systeme dürfen nicht zu reinen Abwicklungsstellen verkommen, so dass Hersteller oder Importeure abgekoppelt werden.
  • Anbieter sollten frei sein, mit Dritten Verträge zur Entgegennahme der Altstoffe sowie zum konkreten Recycling oder zur Entsorgung abzuschliessen (Vertragsfreiheit). Dies beinhaltet auch die Möglichkeit der freien Preisfestsetzung für die erbrachten Leistungen Dritter.
  • Zu vermeiden ist ein generelles Verbot jeglichen Exports von Abfall. Denn gewisse Abfälle erreichen in der Schweiz ein zu kleines Volumen, um effizient rezykliert werden zu können – z.B. Buntmetalle. Wichtig ist, eine bestmögliche Garantie der ordnungsgemässen Entsorgung oder Rezyklierung zu erhalten. Ein Instrument dazu sind Zertifikate und Kontrollen vor Ort. Teure und nicht ausgelastete spezialisierte Werke in der Schweiz können so vermieden werden.
  • In der Theorie kann alles und jedes separat gesammelt werden, vom Weinkorken bis zum Joghurtdeckel. Behält man die Separatsammlung bei, sollte zumindest eine Kosten-Nutzen-Abwägung vorgenommen werden, bevor man dies gesetzlich verankert. Wieviel Umweltbelastung kann durch eine getrennte Sammlung vermieden werden und steht dies im sinnvollen Verhältnis zu den verursachenden Kosten?

Den generell höchsten Kosten-Nutzen-Wert hat ein System, das auf eine funktionierende Partnerschaft zwischen Branchenorganisationen, den Konsumenten und dem Regulator setzen kann.