Viele Staaten verwenden für die Kontrolle ihres Haushalts Fiskalregeln. Die Wirksamkeit einer Fiskalregel (wie z.B. einer Schuldenbremse) hängt wesentlich davon ab, ob sie die gesamten oder nur Teile der öffentlichen Finanzen erfasst. Bei einer «unvollständigen Budgetabdeckung» besteht die Gefahr, dass die durch eine Schuldenbremse erzielten Erfolge durch Defizite in den nicht erfassten Bereichen konterkariert werden. Dennoch werden in vielen Ländern die Systeme der sozialen Sicherung und die öffentlichen Unternehmen nicht durch eine Fiskalregel kontrolliert.

Zahlreiche Varianten

Grundsätzlich muss bei der Einführung einer Fiskalregel zunächst festgelegt werden, welche Grösse sie begrenzen soll:

  • Eine Saldoregel verlangt einen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben.
  • Eine Defizitregel setzt den erlaubten Fehlbetrag auf einen Prozentsatz des Bruttoinlandprodukts fest.
  • Eine Schuldenregel gibt einen expliziten Zielwert für den Schuldenstand vor. Häufig ist er in Prozent des BIP formuliert, in seltenen Fällen auch als nominaler Betrag.
  • Eine Ausgabenregel kann die gesamten Ausgaben, die Primärausgaben (Gesamtausgaben abzüglich Zinszahlungen) oder die laufenden Ausgaben einschränken. Ausgabenregeln können die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen nicht sicherstellen, solange die Einnahmenseite völlig unberücksichtigt bleibt.
  • Eine Einnahmenregel schliesslich definiert eine Ober- bzw. Untergrenze für die Staatseinnahmen, um ein bestimmtes Einnahmevolumen zu sichern oder eine übermässige Steuerlast zu verhindern.

Auf die Sanktionen kommt es an

Tabelle 1 zeigt die Vielfalt von Fiskalregeln in ausgewählten OECD-Ländern und Tabelle 2 den Umfang ihrer Abdeckung. 

Tabelle 2

In Schweden, wo die Sozialversicherungen durch die Schuldenbremse erfasst werden, ist die Schuldenquote von 84% im Jahr 1996 auf 49% im Jahr 2010 gesunken. In den Niederlanden, wo die soziale Sicherheit ebenfalls durch Fiskalregeln abgedeckt ist, ist jedoch die Schuldenquote seit 2007 um 23 Prozentpunkte gestiegen. Und in der Schweiz, ohne vollumfassende Schuldenbremse, konnten die Schulden kontinuierlich von 130 Mrd. Fr. im Jahr 2005 auf 110 Mrd. Fr. im Jahr 2009 reduziert werden.

Dieser Vergleich zeigt, dass die Erfassung der sozialen Sicherheit durch eine Fiskalregel weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung ist, um die Staatschulden nachhaltig zu senken. Eine unvollständige Budgetabdeckung kann z. B. durch spezifische Regeln für einzelne Sozialversicherungen kompensiert werden. In allen Fällen sind die Mechanismen massgebend, die eine Verletzung der Fiskalregeln sanktionieren.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie im neuesten Buch von Avenir Suisse «Soziale Sicherheit sichern», das im Buchhandel oder direkt bei NZZ Libro erhältlich ist.

Am 15. Dezember erscheint der nächste Artikel aus dieser Reihe.