In diesen Tagen werden nicht nur hitzige Diskussionen um die Ausgestaltung des Verhältnisses der Schweiz zur EU geführt. Die hohen Temperaturen und die Auswirkungen des Klimawandels rufen auch die Agrarlobby auf den Plan. In der Tradition der Verbandspolitik werden bei neuen Herausforderungen auf dem Markt umgehend zusätzliche Subventionen verlangt, die durch den Steuerzahler zu berappen sind.
Gegen witterungsbedingte Ernteausfälle sollen die Versicherungsleistungen ausgebaut werden. Die öffentliche Hand, so die Bauernverbandsfunktionäre, möge doch die Prämien zu einem erklecklichen Teil mitfinanzieren. Fast skurril mutet es an, dass der Bund angesichts der Trockenheit die Zölle für Importe auf Raufutter sofort senkt, während der Bauernverband fordert, bereits bewilligte Importmengen für Kuhfleisch in der aktuellen Marktsituation nicht einzuführen. Für Tiere will man den Zollschutz also einseitig lockern, für die Konsumentinnen und Konsumenten sollen die vielfältigen Agrarimportzölle zusätzlich verschärft werden. Diese befinden sich damit nicht nur in der Prioritätensetzung der Schweizer Agrarpolitik sprichwörtlich am Ende der Wertschöpfungskette.
Doch auch am Anfang der Produktionskette, beim Bauern, ist die Situation alles andere als erfreulich. Dies hat aber mit der Hitzewelle nur am Rande zu tun. Über 4000 Seiten an Gesetzen, Verordnungen und weiteren Vorschriften bestimmen den bäuerlichen Erwerbsalltag. Bundesordner an Bundesordner füllen die Regale auf dem Bauernhof. Dies ist zu einem hohen Grad selbstverantwortet, hat doch der Schweizer Bauer mit einem der weltweit höchsten Anteile an Transferleistungen und zahlreichen weiteren staatlichen Vorzugsbehandlungen Rechenschaft über die Verwendung der erhaltenen Steuergelder abzulegen. Die Verordnung über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft umfasst alleine 188 Seiten, die Verordnung über die Hygiene bei der Milchproduktion immerhin noch 16 Seiten.
Es braucht also bald auf jedem Bauernhof einen juristisch geschulten Knecht, um die Übersicht über die Regulierungen zu bewahren. Angesichts des Vorschriftendschungels wird dem Bauern die Entwicklung hin zum selbstständigen Unternehmertum verunmöglicht, er verbleibt letztlich als «Scheinunternehmer» ein staatlich mandatiertes Vollzugsorgan der Agrarpolitik. Ein stolzes landwirtschaftliches Unternehmertum wäre möglich: Dazu bräuchte es aber den breit abgestützten Willen zur Deregulierung. Das würde Freiraum für Innovationen schaffen und das Brachland des unternehmerischen Potenzials der Landwirte könnte gezielt aktiviert werden, ohne die Steuerzahlenden und Konsumenten weiterhin über Gebühr zu belasten.
Dieser Text ist am 16. 8. 2018 in der «Handelszeitung» erschienen.