Die Schweiz gilt als eines der stärksten globalisierten Länder der Welt: 2019 landete sie im Ranking des Globalisierungsindex der ETH Zürich auf dem zweiten Platz. Betrachtet werden dabei die wirtschaftliche, die soziale und die politische Dimension. Unter beiden letzteren ist die Verbreitung von Informationen, Ideen, Vorstellungen und Menschen zu verstehen.

Gefördert wird dies durch die zunehmende internationale Mobilität. So führen sowohl die internationale Migration als auch Touristen und Studenten, die sich im Ausland aufhalten, zum kulturellen Austausch bei. Bei der sozialen Dimension wird schnell ersichtlich, wie global und offen die Schweiz ist: 2020 machten Ausländer einen Viertel der ständigen Wohnbevölkerung aus – ein weltweit hoher, wenn auch bei weitem nicht der höchste Anteil. Des Weiteren stammen etwa 27% der Studierenden an Schweizer Universitäten aus dem Ausland, während internationale Gäste in 2019 26,8 Mio. Logiernächte (47,8%) in Schweizer Beherbergungen buchten. Grund für den hohen Grad der politischen Globalisierung sind die zahlreichen ausländischen Botschaften – in Bern und Genf (Uno) sind es 149 – sowie die internationalen Organisationen (45), die in der Schweiz angesiedeltsind. Die Schweiz befindet sich damit – trotz ihrer relativen Kleinheit – bei der politischen Dimension des Globalisierungsindexes auf Platz 10.

Im Kern globalisiert

Dem Index zufolge ist die Schweiz also bereits im Kern ein globalisiertes Land, durch ihre wirtschaftlichen Beziehungen wird dies weiter verstärkt. So betrug das Aussenhandelsvolumen der Schweiz 2019 rund 850 Mrd. Fr. – davon sind 70% allein auf den Warenhandel zurückzuführen, der Rest ist dem Dienstleistungshandel zuzuschreiben. Dies entspricht einer Aussenhandelsquote (gesamter Aussenhandel im Verhältnis zum BIP) von 119%.

Die Schweiz ist auf den Handel mit den Wirtschaftsgiganten USA, Europa und China angewiesen. (Gael Gaborel, Unsplash)

Betrachtet man nur die Exporte und setzt diese ins Verhältnis zum BIP, ergibt sich ein Anteil von 33%. Das bedeutet, dass – unter Abzug der importierten und re-exportierten Wertschöpfung – jeder dritte Franken im Aussenhandel erwirtschaftet wird. Dies reflektiert sich auch in der Realwirtschaft: so profitierten 2019 2,1 Mio. Beschäftigte in der Schweiz direkt vom Export. Die Offenheit der Schweiz trägt also massgeblich zu ihrem Wohlstand bei. Dies bestätigt auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die den globalisierungsbedingten BIP-Gewinn pro Jahr und Einwohner der Schweiz im Zeitraum 1990 bis 2018 auf 1583 Euro schätzt. Die Schweiz liegt damit auf Platz drei der Länder, die am meisten von der Globalisierung profitieren. Die Integration in internationale Wertschöpfungsketten ist zu einem Motor der Wohlstandsentwicklung geworden.

Auf den Handel mit der EU, den USA und China angewiesen

Bei einer genaueren Betrachtung wird schnell klar, dass die Schweiz vor allem auf den Handel mit der EU, den USA und China angewiesen ist. Diese Länder bzw. Wirtschaftsräume sind für 70% des Schweizer Warenhandelsvolumens (Importe und Exporte) verantwortlich. Die sich zuspitzende Rivalität zwischen den USA und China stellt die Schweizer Wirtschaft daher vor eine besondere Herausforderung. Unternehmen müssen nicht nur einer Vielzahl heterogener, inzwischen beinahe unüberschaubar gewordener Zahl an Vorschriften und Handelseinschränkungen berücksichtigen. Sie werden vermehrt auch mit protektionistischen Regulierungen konfrontiert.

So verfolgen sowohl die USA als auch China Strategien, um die eigene nationale Wirtschaft zu stärken, auch mit der Absicht, in strategisch wichtigen Technologien die Führungsrolle zu erlangen. Die Gefahr ist gross, dass Unternehmen dadurch gezwungen werden, ihre bisher globalen Lieferketten regional zu entkoppeln, um der Etablierung verschiedener Normenräume Rechnung zu tragen.

Die gleichzeitige wirtschaftliche Präsenz in den USA und China wird immer schwieriger. Da die Schweiz für beide Rivalen eine vernachlässigbare ökonomische Grösse ist, ist auch die Wahrscheinlichkeit klein, dass die Schweizer Interessen von den Grossmächten berücksichtigt werden: Die Schweiz machte 2019 nur 1,5% aller Importe und Exporte der USA aus, in China waren es sogar nur 0,6% (WITS 2022)

Druck nur im Verbund

Die asymmetrischen Verhältnisse zwischen der Schweiz und den Grossmächten USA und China erklären, weshalb die Schweiz die geopolitischen Entwicklungen als exogen betrachten muss. Trotzdem herrscht hierzulande der Anspruch, eine klare Position gegenüber China zu beziehen. Dahinter besteht die Vorstellung, das Reich der Mitte lasse sich so dazu bewegen, sich in die liberale Weltordnung einzugliedern. Realistischerweise setzt die Schweiz damit allerdings nur ein symbolisches Zeichen.

Genügend Druck kann nur im Verbund mit anderen westlichen Ländern erzeugt werden. Doch eine einheitliche Haltung in Bezug auf den Umgang mit China ist heute nicht erkennbar: Die USA verfolgen beispielsweise eine viel konfrontativere Strategie als die EU. Hinzu kommt, dass es schwer vorhersehbar ist, wie sich die Situation entwickeln wird: So steht der chinesische Präsident Xi Jinping zurzeit vor mehreren innenpolitischen Herausforderungen. In den USA wiederum könnte die (Wieder-) Wahl eines Hardliners wie Trump zu einer raschen Eskalation des Konfliktes führen. Für die Schweiz ist es deshalb am sinnvollsten, ihre bisherige Strategie der pragmatischen Gratwanderung weiterzuführen. Eine zu frühzeitige Positionierung, die einen wichtigen Handelspartner vor den Kopf stosst, führt zu Wohlstandsverlusten, ohne den geopolitischen Konflikt entscheidend zu beeinflussen.