Nicht zuletzt wegen der tiefen Stromgrosshandelspreise verlangen viele Kraftwerksbetreiber eine Senkung, Flexibilisierung oder Neuverteilung der Abgabenlast, besonders der Wasserzinsen. Auch im Zusammenhang mit neuen Subventionen für die Grosswasserkraft wird über eine (temporäre) Reduktion der Wasserzinsen diskutiert. Um die Wirkungen solcher Forderungen zu analysieren, ist es sinnvoll, das Wesen der Wasserzinsen etwas genauer zu beleuchten. Schliesslich handelt es sich dabei nicht um eine Steuer, sondern um eine sog. Kausalabgabe. Diese wird von der öffentlichen Hand eingefordert, wenn sie einem Privaten das Recht zur Nutzung einer öffentlichen Ressource einräumt. Formell erfolgt dies mittels Sondernutzungskonzession, die dem Privaten ein faktisches Monopol überträgt – nur er kann die Ressource entsprechend nutzen. Und weil bei den Kantonen und Gemeinden fiskalische Interessen im Spiel sind, gelten die Wasserzinsen als Regal- bzw. Monopolgebühren. Mit der Konzession geht jedoch kein (rechtliches) Monopol einher, das den Betreiber eines Wasserkraftwerks vor Konkurrenz schützt.
Interesse der Kantone an hohen Wasserzinsen
Das Verfügungsrecht über die Wasserkraft steht den Kantonen zu – entsprechend können sie Konzessionen vergeben und Wasserzinsen einfordern. Teilweise delegieren die Kantone dieses Recht an die Gemeinden weiter. Einschränkend gilt, dass die maximalen Wasserzinsen in der Bundesgesetzgebung definiert werden. Die seltsame Kompetenzteilung entstand bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Das auf Bundesebene formulierte Wasserzinsmaximum sollte ein Ausgleich zwischen den fiskalischen Interessen der Wasserkraftkantone einerseits und dem volkswirtschaftlichen Bedürfnis nach einer preisgünstigen nationalen Stromversorgung anderseits schaffen. Die Regelung geht daher implizit davon aus, dass Wasserzinsen den Strompreis beeinflussen – was im monopolisierten Strommarkt des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen zutraf.
Der Wasserzins hängt nicht von der tatsächlichen Produktion ab, sondern ist als fixe Abgabe auf Basis der Kraftwerksleistung berechnet. Bei seiner Einführung Anfang 1918 lag der maximale Wasserzins bei 8,16 CHF/kW (6 CHF/PS), heute sind es 100 CHF/kW und ab 2015 110 CHF/kW. Die steigenden Wasserzinsen sind auch Ausdruck der fiskalischen Interessen der Kantone und Gemeinden. So weckten etwa die rekordhohen Strompreise im europäischen Grosshandel im Jahr 2008 wachsende Begehrlichkeiten – Politiker waren sich einig, dass knappe fossile Energien, Klimaschutz und «Stromversorgungslücken» den Wert der Wasserkraft in die Höhe treiben würden. Unterstellt man, dass die Kantone (und Gemeinden) die maximalen Wasserzinsen einfordern, summieren sich die gesamten Einnahmen auf etwa 515 Mio. CHF pro Jahr – in den Kantonen Graubünden, Uri und Wallis machen die Wasserzinsen bis zu 14% der Fiskaleinnahmen aus. Zwar gelten die Wasserzinsen als besonders einträglich, doch profitieren Kantone und Gemeinden auch anderweitig von der Wasserkraft. Neben allgemeinen Steuern erheben sie auch einmalige Konzessionsgebühren, beteiligen sich selber an den Kraftwerken und Verbundunternehmen oder beziehen einen Teil des Stroms zu Sonderkonditionen. Die gratis oder vergünstigt bezogene Energie können sie zu tiefen Preisen an Endkunden weiterreichen, oder am Markt mit Gewinn veräussern.
Gegenteilige Entwicklung von Wasserzinsen und Strompreis
Während das steigende Wasserzinsniveau die wachsenden politischen Begehrlichkeiten illustriert, weisen die sinkende Grosshandelspreise auf den erodierenden Wert der Wasserkraft hin. Das sich der Spalt zwischen den beiden Grössen seit 2011 ausweitet, illustriert gleichzeitig, dass das Wasserzinsregime aus einer vergangenen, monopolistischen Welt stammt. In einem liberalisierten Markt bilden sich die Preise gemäss (internationalem) Angebot und Nachfrage. Fixkosten-intensive Wasserkraftwerke sind in diesem Umfeld faktisch «Preisnehmer» – und Wasserzinsen beeinflussen die Marktpreise nicht. Das aber heisst, dass Konsumenten im offenen Markt weder von besonders tiefen Wasserzinsen profitieren, noch durch besonders hohe Wasserzinsen belastet werden. Einschränkend gilt, dass der Schweizer Strommarkt bisher nur teilweise liberalisiert ist: Die Energietarife für Verbraucher in der Grundversorgung werden auf Basis der Gestehungskosten festgelegt – je nach Produktions- und Bezugsportfolio des Versorgers beeinflussen Wasserzinsen den also den Energietarif.
Wasserzinsen sind im offenen Markt keine eigentliche Gebühr mehr. Vielmehr teilen sie einzig die Rente der Wasserkraftproduktion zwischen Standortkanton und Anlagenbetreiber (v.a. Verbundunternehmen, die mehrheitlich im Eigentum der Mittellandkantone sind)auf. Derzeit diskutierte Ansätze zur Förderung der Wasserkraft und Veränderung des Wasserzinsregimes verändern daher in erster Linie diese Aufteilung:
- Senkung der Wasserzinsen: Die Standortkantone könnten die Wasserzinsen jederzeit reduzieren – schliesslich schreibt das Bundesgesetz lediglich deren Maximum fest. Doch gibt es für die Standortkantone keine Anreize, Wasserzinsen bei bestehenden Anlagen zu senken – ein solcher Rentenverzicht ginge einseitig zu ihren Lasten. Davon zu unterscheiden ist eine Wasserzinssenkung für Neuanlagen. Tiefere Wasserzinsen oder ein gänzlicher Verzicht könnten Investitionsentscheide positiv beeinflussen. Nun aber müsste der Standortkanton anhand von Kosten- und vor allem Preisprognosen einen adäquaten Wasserzins-Rabatt berechnen. Daneben würde er sich Gedanken darüber machen, wie er künftig von (unerwartet) steigenden Preisen profitieren könnte.
- Standortkanton als Unternehmer: Als Alternative bietet sich ein flexibles System an, das den Kantonen bei höheren Strommarktpreisen höhere Renten verspricht und vice versa. Dies trifft vor allem dann zu, wenn der Standortkanton auf fixe Wasserzinsen und Konzessionsgebühren verzichtet und anstelle dessen am Ertrag des vermarkteten Stroms partizipiert. Im Extremfall tritt der Standortkanton selber als Investor und Betreiber der Anlage auf, ist für die Stromvermarktung verantwortlich und trägt sämtliche marktliche Risiken – was aus Sicht des kantonalen Finanzhaushalts wenig attraktiv ist. Geringere Risiken birgt ein Konzessionierungsregime, bei dem sich der Kanton als Kausalabgabe einen höheren Energieanteil zusichert, den er vermarktet oder dessen Gegenwert er sich auszahlen lässt. Nun übernimmt der Standortkanton einen Teil des Investitionsrisikos. Dabei stellt sich die Frage, wie der adäquate Energieanteil für den Standortkanton festgelegt werden sollte.
- Ressourcenrente: In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag einer sogenannten Ressourcenrente. Anstelle der fixen und berechenbaren Wasserzinsen erhalten Kantone und Gemeinden eine Abgeltung, die sich an der Differenz zwischen Marktpreisen und Produktionskosten orientiert. Sofern die Ressourcenrente keine negativen Werte annehmen kann, trägt der Standortkanton zwar keine Investitions- und damit Verlustrisiken, dennoch steigt die Volatilität seiner Wasserrente. Der Investor und Betreiber hingegen wird vom Staat – mindestens teilweise – gegen sinkende Preise (aber nicht gegen Verluste) abgesichert.
- Endverbraucher zahlen Wasserzinsen: Diskutiert wird auch die Möglichkeit, wonach die Wasserzinsen nicht mehr durch den Betreiber, sondern direkt durch die Endverbraucher berappt würden. Dass sie letztlich ohnehin die Wasserzinsen bezahlen und daher ein Systemwechsel keine Auswirkungen hätte, ist falsch. Vielmehr würde der Wasserzins in eine Steuer verwandelt. Endverbraucher begleichen diese separat, bei den Betreibern und Standortkantonen kommt der Ertrag als feste Subvention über dem (international bestimmten) Marktpreis an. Ausgehend davon, dass ein Grossteil des Endverbrauchs im Mittelland stattfindet, würde das System zu einer neuen Form von Finanzausgleich. Wegen der halben Marktöffnung wären ausserdem grosse Verbraucher besonders betroffen (während Verbraucher in der Grundversorgung ohnehin kostenbasierte Tarife zahlen).
- Subventionen für Grosswasserkraft: Zur Bestimmung der Subventionshöhe werden üblicherweise die kalkulatorisch berechneten Produktionskosten dem Ertragspotenzial am Markt gegenübergestellt. Werden in dieser Rechnung die Wasserzinsen fälschlicherweise als «Kosten» (statt Instrument der Gewinnteilung) berücksichtigt, bezahlen Verbraucher in den Mittellandkantonen an die Renten der Standortkantone und Betreiber. Subventionen für die Grosswasserkraft haben dann eine ähnliche Wirkung wie die Direktbegleichung der Wasserzinsen durch Endverbraucher: Sie werden faktisch zu einem Finanzausgleich zugunsten der Gebirgskantone.
Das starre System der Wasserzinsen stammt aus einer Monopolwelt und wird der Dynamik des europäischen Strommarktes nicht gerecht. Anstelle einer Diskussion um die «richtige» Höhe der Wasserzinsen bräuchte es eine grundlegende Reform. Bisher wenig diskutiert wird beispielsweise die Möglichkeit einer Ausschreibung von Konzessionen für den Betrieb eines Wasserkraftwerks an den Meistbietenden. Das Wasserzinsregime würde durch eine einmalige Zahlung abgelöst, die im Rahmen eines wettbewerblichen Bieterprozesses bestimmt wird. Das System würde die Risiken auf Seiten des Standortkantons minimieren bzw. die Wasserrente fixieren – unternehmerische Risiken wären sinnvollerweise einzig beim investierenden Unternehmen. Die Konzession ginge an den optimistischsten Bieter – falls dieser überoptimistisch ist, fällt dem Kanton eine zusätzliche Rente zu («Fluch des Gewinners»). Für Politiker hat dieser ökonomisch interessante Ansatz hingegen wenig Charme – schliesslich lässt sich das Resultat des Vergabeprozesses schwer beeinflussen, womöglich ginge die Konzession gar an einen ausländischen Bieter.