Die steuerliche Benachteiligung der verheirateten Paare im Vergleich zu den Konkubinatspaaren – die so genannte Heiratsstrafe – ist ein Dauerbrenner der Schweizer Politik. Nach der knappen Ablehnung der Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» im Februar 2016 steht der Bund in der Pflicht, eine verfassungskonforme Ehepaarbesteuerung bei der direkten Bundessteuer zu erwirken. Nun hat er sich ein Jahr länger gegeben, um konkrete Vorschläge zu bringen: Die betreffende Botschaft wurde zugunsten der Steuervorlage 17 aufgeschoben.
Hoffentlich wird diese Zeit genutzt, um eine höhere Transparenz zu verschaffen. Denn obwohl das Thema schon lange Parlament und Gerichte beschäftigt, bestehen wenige gesicherte Angaben zum konkreten Ausmass des Problems und zu den effektiven Steuerunterschieden nach Zivilstand. Meistens werden bloss Steuertarife nach Zivilstand verglichen, nicht jedoch die tatsächlich geschuldeten Steuern. Unsere Auswertung bildet eine Ausnahme: Sie beruht auf einer repräsentativen Erhebung des Bundesamtes für Statistik bei 14’000 Haushalten, welche Angaben über sämtliche entrichteten Steuern enthält, die jedoch für Analysen im Steuerbereich bisher selten genutzt wurde.
Ehepaare sind die Regel
In der Schweiz werden Verheiratete gemeinsam veranlagt. Das heisst: Die Einkommen beider Partner werden summiert und anschliessend besteuert. Aufgrund – unter anderem – der Steuerprogression und je nach Einkommensverteilung zwischen den Paaren kann die gemeinsame Veranlagung zu einer unterschiedlichen Steuerlast der Ehepaare im Vergleich zu den Konkubinatsgemeinschaften führen.
Wie sich zeigt, hat eine etwaige Heiratsstrafe allerdings kaum vom Heiraten abgehalten. Konkubinatspaare stellen in der Schweiz klar eine Ausnahme dar: Von den rund 1,6 Millionen Paaren, die zusammenwohnen, sind 85% verheiratet. Aus steuerlichen Gründen lassen sich auch kaum Rentner scheiden, wie dies oft kolportiert wird: Über 95% der Rentnerhaushalte (das sind jene Paarhaushalte, in welchen beide Personen pensioniert sind) bestehen aus Verheirateten. Bei den Zweiverdienerhaushalten liegt der Anteil höher (22%). Doch das dürfte hauptsächlich daran liegen, dass das Durchschnittsalter der Konkubinatspaare gut 8 Jahre tiefer liegt als jenes der Ehepaare (bei 36 statt 44 Jahren). Nur 8% der Einverdienerhaushalte bestehen aus Unverheirateten.
Im Durchschnitt gibt es einen Bonus
Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn ein Ehepaar im Vergleich zu einem Konkubinatspaar in denselben wirtschaftlichen Verhältnissen eine Mehrbelastung von 10% oder mehr erfährt (mehr dazu hier). Ab welchem Punkt eine rechtswidrige Mehrbelastung von Konkubinatspaaren vorliegt, wurde allerdings bis jetzt nicht geklärt. Bei der direkten Bundesssteuer schätzt die ESTV, dass rund 10% der verheirateten Paare schlechter gestellt sind (Heiratsstrafe von 10% oder mehr). Dagegen erhalten 21% der Paare einen Bonus.
Um die Schwere und die Häufigkeit der Heiratsstrafe zu messen, haben wir deshalb die Ausgaben für direkte Steuern auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene für Haushalte von Verheirateten und ledigen, bzw. geschiedenen Doppelverdienern ausgewertet (Abbildung 1). Eine Heiratsstrafe von 10% oder mehr gibt es nur bei den Doppelverdienern mit einem Haushaltseinkommen (brutto) von mindestens 18’300 Franken pro Monat. Nur 10% der Doppelverdiener-Haushalte verdienen in der Schweiz so viel. Die zweithöchste Einkommensklasse (Monatseinkommen zwischen 15’100 und 18’300 Franken) verpasst knapp die 10%-Grenze: in dieser Klasse ist die Steuerbelastung der Ehepaare 9% höher als bei den ledigen Paaren.
Bei allen anderen Einkommensklassen ist die Ehe steuerlich im Vorteil. Der grösste prozentuale Unterschied besteht bei den tiefsten Einkommensklassen: Hier zahlen Ehe- deutlich weniger als Konkubinatspaare. Doch auch bei mittleren Einkommen ist die Mindersteuerbelastung spürbar: sie beträgt ca. 200 Franken pro Monat. Insgesamt beträgt bei rund 60% aller Haushalte der Heiratsbonus 10% oder mehr.
Aufrechnung auf alle Steuerpflichtige
Die durchschnittliche Steuerbelastung nach Einkommensklassen lässt sich auf alle Steuerpflichtigen aufrechnen. So müssen Haushalte der reichsten Verheirateten (mit einem Bruttoeinkommen von mindestens 18’000 Franken pro Monat) jährlich rund 600 Millionen Franken mehr an Steuern leisten, als wenn die Paare im Konkubinat leben würden (Abbildung 2). Insgesamt aber halten sich die positiven und negativen Zahlungen die Waage: Über alle Einkommensklassen hinweg überwiegt somit der Heiratsbonus von 163 Mio. Franken pro Jahr. Insgesamt stellten wir also fest, dass von einer allgemeinen steuerlichen Diskriminierung der Ehe keine Rede sein. Im Gegenteil: Das Schweizer Steuersystem subventioniert insgesamt die Ehe.