Grosse Anzahl der Einrichtungen ist Treiber der Pensionskassen-VerwaltungskostenDie Einführung einer freien Pensionskassenwahl ist in der Schweiz seit längerem stark umstritten. 2005 wurden zwei Expertenberichte im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) verfasst, die zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Econcept AG /Ecofin empfahlen eine freie Wahl der Vorsorgeeinrichtung, während Pittet Associé und Schneider sie kategorisch ablehnten. Auf Basis der sich widersprechenden Berichte entschied sich der Bundesrat damals gegen eine Liberalisierung des Pensionskassenmarktes. Die Befürchtung steigender Kosten aufgrund intensiverer Werbekampagnen und individueller Kundenbetreuung spielte dabei eine wichtige Rolle.

Doch bei einer freien Pensionskassenwahl müsste die Komplexität der angebotenen Produkte signifikant vereinfacht werden, damit sie auch für ein breites Publikum verständlich wären. Ebenfalls würde sich die Konsolidierung der Branche stark beschleunigen, was zusätzliche Skaleneffekte bringen würde. Der Frage, wie gross diese Kosteneinsparungen wären, wurde bisher nie richtig quantitativ untersucht. Aber basierend auf zwei Studien, die beide 2011 vom BSV veröffentlicht wurden, kann man Schätzungen vornehmen.

Jährliches Synergiepotenzial von bis zu 800 Millionen Franken

In einer ersten Studie (Hornung et al. ) wurden die Verwaltungskosten der beruflichen Vorsorge bei Vorsorgeeinrichtungen und Arbeitgebern nach Aufgaben untersucht: Nicht weniger als 48% der Verwaltungskosten hängen weder mit der Anzahl Versicherter oder angeschlossener Arbeitgeber, sondern mit dem allgemeinen Management einer Pensionskasse zusammen (vgl. Abb.). Bei einer Konsolidierung der knapp 2‘300 Pensionskassen auf ca. 300 – was in etwa der heutigen Anzahl Banken in der Schweiz entspräche– bräuchte es viel weniger Aufwand für Jahresabschlussarbeiten, für Pensionskassenexperten, Revision oder den Kontakt zu Behörden und Stiftungsräten. Insgesamt könnten so jedes Jahr Kosten von bis zu 430 Mio. Fr. eingespart werden.

In einer zweiten Studie durch die Firma c-alm wurden die Vermögensverwaltungskosten unter die Lupe genommen. Diese nehmen signifikant, ja exponentiell, mit der Grösse der Vorsorgeeinrichtung ab. Gemäss den Autoren reduzieren sich mit jeder Verdoppelung der Bilanzsumme einer Pensionskasse die Vermögensverwaltungskosten um 6,54 Basispunkte. Die Grössenunterschiede zwischen den Schweizer Vorsorgeeinrichtungen sind beträchtlich. Die grössten 250 Pensionskassen, das sind ca. 10% aller Kassen, verwalten rund 625 Mrd. Fr. oder 83% des BVG-Vermögens. Im Durchschnitt sind diese Kassen knapp 40 Mal grösser als die restlichen 2000 Einrichtungen, die lediglich 130 Mrd. Fr. verwalten. Diese kleinen Kassen müssen 30 bis 35 Basispunkte mehr für die Verwaltung ihrer Vermögen zahlen. Mit einer Konsolidierung auf 300 Kassen wären Kosteneinsparungen von bis 400 Mio. Fr. pro Jahr möglich.

Steckt Bundesbern den Kopf in den Sand?

Eine Umfrage von Isopublic bei 700 Versicherten im Jahr 2011 zeigt, dass knapp 50% der Befragten eine freie Pensionskassenwahl für wichtig halten. Interessanterweise ist der Wunsch, die Vorsorgeeinrichtung frei wählen zu können, nicht nur bei denjenigen stark, die sich besonders gut in Fragen der beruflichen Vorsorge auskennen (56%), sondern auch bei Mitarbeitern aus tiefen Kaufkraftklassen (66%).

Doch stösst dieses öffentliche Interesse in Bundesbern auf taube Ohren. Erst kürzlich bezeichnete Colette Nova, Vizedirektorin beim BSV, die freie Wahl der Pensionskasse als Utopie. Doch diese «Utopie» ist Realität in Australien und in Schweden, die im Global Pension Indexes der Firma Mercer Rang 2 und Rang 3 einnehmen, während die Schweiz nur an vierter Stelle steht.

In seinem Bericht zur Zukunft der zweiten Säule äusserte sich der Bundesrat Ende 2011 zu diesem Thema kritisch:

«Der Bundesrat hat sich bereits 2006 gegen die freie Wahl ausgesprochen. Es sind zudem keine neuen Argumente ersichtlich, die eine grundsätzlich andere Beurteilung bewirken».

Keine neue Argumente, wirklich? Hat die Bundesverwaltung bereits im Dezember 2011 die beiden Studien vergessen, die sie selbst wenige Monate zuvor veröffentlicht hatte?