Seit 2012 dürfen allgemein versicherte Patienten im Rahmen der Neuen Spitalfinanzierung frei zwischen Listenspitälern innerhalb des Wohnkantons wählen. Dies war zuvor Patienten mit entsprechender Zusatzversicherung vorbehalten. Zudem wurde die freie Spitalwahl auf Listenspitäler ausserhalb des Wohnkantons ausgedehnt. Die neue Regelung sieht vor, dass sich der Wohnkanton bis zu einem von den kantonalen Behörden festgesetzten «Referenztarif» an den Kosten der ausserkantonalen Hospitalisierung beteiligt.
Seit 2012 haben sich die Patientenströme nicht im erwarteten Ausmass verändert, sowohl innerhalb der Kantone als auch über die Kantonsgrenzen hinweg. Die geografische Nähe eines Spitals bleibt das wichtigste Wahlkriterium für viele Patienten (und zuweisende Ärzte). Auch ist davon auszugehen, dass die meisten Patienten mit den Folgen der Neuen Spitalfinanzierung nicht vertraut sind. Nur die wenigsten dürften wissen, dass sich die Tarife für einen bestimmten Eingriff je nach Spital unterscheiden können. Ein Vergleichsportal des Preisüberwachers schafft seit Februar 2018 Abhilfe.
Einen besonderen Fall stellen die ausserkantonalen Behandlungen dar. Die finanziellen Konsequenzen sind hier asymmetrisch verteilt. Liegt der Basistarif des ausserkantonalen Spitals über dem Referenztarif des Wohnkantons, muss der Patient – sofern er über keine Zusatzversicherung verfügt – den Preisunterschied selber bezahlen. Liegt der Basistarif des ausserkantonalen Spitals hingegen unter dem Referenztarif des Wohnkantons, wird der Patient für den günstigeren Eingriff nicht entschädigt: Die Krankenkasse und der Wohnkanton bezahlen weniger als bei einer Behandlung im Heimatkanton, der Patient selbst profitiert aber von dieser Einsparung nicht. Der Patient hat somit keinen Anreiz, einen Eingriff in einem ausserkantonalen, günstigeren Spital vorzunehmen. Dadurch gehen Opportunitäten verloren, um die gesamten Gesundheitskosten zu senken und die Patienten davon profitieren zu lassen.
Gutschrift im Behandlungsfall
Der Wettbewerb zwischen den Spitälern könnte deutlich verstärkt werden, wenn die Patienten eine bessere Übersicht über die Qualität und die Preise eines bestimmten Eingriffs hätten. Die Krankenversicherer könnten hier in die Bresche springen und neue Dienstleistungen entwickeln.
Ein denkbares Versicherungsprodukt sähe wie folgt aus: Steht ein planbarer chirurgischer Eingriff bevor, kontaktiert der Patient seine Krankenkasse. Sie schlägt ihm eine Liste von Spitälern vor, die für den besagten Eingriff mindestens die gleiche Qualität (z.B. gemessen an den Fallzahlen pro Jahr im Bereich der hochspezialisierten Medizin) wie das nächstgelegene Spital anbieten. Der Patient könnte das Spital frei aussuchen. Entscheidet er sich für ein Spital, das über einen tieferen Basistarif als das nächstgelegene verfügt, so teilen sich die Krankenkasse und der Patient die erzielten Kosteneinsparungen. Der Patient erhält eine Gutschrift.
Die konkrete Funktionsweise dieses Vorschlags kann anhand des folgenden Beispiels illustriert werden (vgl. Tabelle): Das Kostengewicht für die Implantation eines künstlichen Kniegelenks – eine der heute am häufigsten durchgeführten stationären Spitalbehandlung in der Grundversicherung – beträgt 1,947. Dieses Kostengewicht gilt für alle Spitäler und wird durch die SwissDRG AG ermittelt. Beansprucht der Patient die Therapie nicht im Universitätsspital Zürich (durchschnittlicher Basistarif 11 110 Fr., 2017), sondern in der Klinik im Park im Kanton Aargau (durchschnittlicher Basistarif 8930 Fr.), so beträgt der Kostenunterschied für diesen Eingriff
1,947 × (11 110 Fr. – 8930 Fr.) = 4225 Fr.
Die Krankenkasse zahlt 45 % dieser stationären Leistung und profitiert damit von einer Ausgabenreduktion um 1901 Fr. Teilen sich die Krankenkasse und der Patient diese Einsparung zum Beispiel hälftig, kann der Patient bei vergleichbarer Qualität der Behandlung 951 Fr. sparen.
Transparenz über Qualität als Voraussetzung
Zentral für den Erfolg dieses Versicherungsmodels ist die Transparenz über die Qualität der Angebote und die daraus resultierende Möglichkeit, dem Patienten gleichwertige, ja sogar bessere Leistungen zu einem günstigeren Preis vorzuschlagen. Kaum ein Patient würde sonst eine solche Lösung wählen, wenn er diese Garantie nicht bekäme, und kaum ein Versicherer würde solche Produkte anbieten, wenn er diese nicht geben könnte. Gleichzeitig erhöht die zusätzliche Transparenz den Druck auf die Spitäler, die Qualität ihrer Leistungen auszuweisen und stets zu verbessern. Kaum ein Spital könnte es sich leisten, nicht auf der Empfehlungsliste erwähnt zu werden. Von dieser Belebung des Wettbewerbs würden schliesslich alle Patienten profitieren, unabhängig davon, welches Versicherungsmodell sie gewählt haben.
Stärkung der Ärzte in ihrer Rolle als Gatekeeper
Beim vorgeschlagenen Modell entscheidet der Patient nach wie vor selber, in welchem Spital er sich behandeln lassen will. Es ist anzunehmen, dass er die von der Krankenkasse erhaltenen Informationen mit seinem behandelnden Arzt bespricht. Es steht dem Arzt auch frei, weitere wichtige Entscheidungskriterien wie Erreichbarkeit und Einfachheit allfälliger Nachbehandlungen usw. in die Waagschale zu werfen. Dadurch gewinnt die Beziehung zwischen Arzt und Patient an Tiefe und die Diskussion über die Qualität eines anstehenden Eingriffs wird auf Augenhöhe geführt.
Indirekt profitiert auch der Arzt von den Informationen der Krankenversicherungen. So kann er sich ein besseres Bild über die Qualität einzelner Spitäler machen und künftige Empfehlungen daraus ableiten. Dies ist nicht unwesentlich, sind Ärzte doch wichtige Gatekeeper bei der Spitalwahl. Eine Studie für den Kanton Wallis hat zum Beispiel gezeigt, dass über die Hälfte (52 %) der ausserkantonalen Spitaleinweisungen auf Empfehlung des Arztes erfolgen. Eine Studie für den Kanton Freiburg kam zu ähnlichen Ergebnissen. Dank dieser zusätzlichen Informationen könnte der Qualitätswettbewerb zwischen den Spitälern, innerhalb sowie ausserhalb der Kantone, deutlich an Fahrt gewinnen.
Weiterführende Informationen finden Sie in der Studie «Gesunde Spitalpolitik».