Die Kolumne von Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz vom Juni 2013 zur Entwicklungshilfe hat den schweizerischen «Entwicklungshilfe-Minister» Martin Dahinden zu einer Replik provoziert, auf die Gerhard Schwarz in der folgenden Duplik antwortet.

Der Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), Martin Dahinden, hat meine wirtschaftspolitische Grafik des Monats Juni «Entwicklung ohne Hilfe» (NZZ, 29. 6. 2013) zum Anlass genommen, um sein Verständnis von Entwicklung zu verdeutlichen und besonders das schweizerische Engagement in Burundi zu rechtfertigen (NZZ, 30. 7. 2013). Das ist zwar sein gutes Recht, vielleicht sogar seine Pflicht, aber nötig wäre es eigentlich nicht gewesen. Weder ist meine Kolumne nämlich ein Frontalangriff auf die Entwicklungshilfe, noch entspringt sie einer «rein ökonomischen» Betrachtungsweise oder verkennt, dass Entwicklung mehr ist als nur Wohlstandsmehrung.

Immunisierungsstrategie

Auch Martin Dahinden wird aber kaum bestreiten, dass die nachhaltige Armutsbekämpfung eine wichtige Zielsetzung der Entwicklungszusammenarbeit ist. Wenn er schreibt, die Aufgabe bestehe oft darin, die Grundlagen mitzugestalten, die wirtschaftlichen Aufschwung erst möglich machten, dann ist dieser Aufschwung ganz offensichtlich das übergeordnete und zeitlich nachgelagerte Ziel. Gerade aus entwicklungspolitisch engagierten Kreisen hört man ja oft, wie schlecht es den Ärmsten der Armen auf dieser Welt gehe und dass dieser Zustand überwunden werden sollte. Dann ist es doch einigermassen erstaunlich, sich dem Vorwurf des Ökonomismus ausgesetzt zu sehen, wenn man sich die Entwicklung der Pro-Kopf-Einkommen etwas genauer anschaut.

Richtig ist auch, dass sich in der Entwicklung vieles nicht leicht quantifizieren lässt. Man droht aber in eine gewisse Willkür und in eine Immunisierungsstrategie abzugleiten, wenn man das, was sich quantifizieren lässt, als rein ökonomisch diffamiert und dem alle möglichen eher weichen, kaum messbaren Faktoren entgegenhält. Das Bemühen, Erfolge und Misserfolge quantitativ zu fassen, hat schlicht damit zu tun, dass man in einer knappen Welt ja jeden Franken, den man an einem Ort ausgibt, an einem anderen Ort nicht ausgeben kann. Und deshalb ist die Frage berechtigt, wo man aus entwicklungspolitischer Sicht – nicht aus kurzfristiger humanitärer Sicht – am meisten bewirken kann. Das war das zentrale Thema der Kolumne, und nicht, wo es den Menschen am schlechtesten geht und die Armut am grössten ist. Es könnte nämlich sein – und dafür liefert die Grafik Indizien – dass Länder, deren Bevölkerung es ähnlich schlecht geht, einen sehr unterschiedlich fruchtbaren Boden für den Einsatz ausländischer Gelder bieten.

Wer mit Mitteln verantwortungsvoll umgehen will, wird in einem solchen Fall das Geld dort einsetzen, wo es rascher, kräftiger und nachhaltiger hilft, Armut zu überwinden.

Ursache und Wirkung

Viel dreht sich in Dahindens Replik um Ursache und Wirkung. Weswegen er mir deren Verwechslung vorwirft, ist mir unklar, denn was er schreibt, findet sich bei mir ähnlich. Ob der Entwicklungsprozess gut verläuft, hat viel mit Rahmenbedingungen zu tun. Dahinden erwähnt etwa die Rechtssicherheit, in meiner Kolumne ist von der Rechtsstaatlichkeit die Rede. Da besteht weitgehend Einigkeit. Und wo Konflikte, Gewalt, schwache Staatlichkeit und Korruption herrschen, kommt Entwicklung kaum zustande. Genau darum geht es. Deswegen steht auch bei mir nicht, dass die internationale Zusammenarbeit mehr schade als nütze. Es gibt sehr wohl Länder und Situationen, in denen ausländische Hilfe Wachstumsprozesse anstösst – gerade das zeigen ja die Zahlen meiner Grafik. Aber die Hilfe verschüttet auch oft lokale Potenziale, mehr Hilfe bedeutet nicht automatisch mehr Entwicklungserfolg, und oft versickert das Geld relativ wirkungslos. Meine Kolumne versucht, mit wenigen Zahlen dafür zu plädieren, Entwicklungshilfe nicht nur dorthin zu lenken, wo die Armut gross ist, sondern auch dorthin, wo sie etwas bewirkt. Und das tut sie nicht überall gleichermassen.

Dieser Artikel erschien in der Neuen Zürcher Zeitung vom 9. August 2013.
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.