Mit der anhaltenden Zuwanderung ist der Wohnungsmarkt ins Zentrum einer Debatte gerückt, die zunehmend emotional geführt wird. Befürchtet wird, dass das Wohnen für breite Schichten der Schweizer Bevölkerung unerschwinglich wird, vor allem auch für den Mittelstand. Das Diskussionspapier «Wanderung, Wohnen und Wohlstand» kommt zu teilweise überraschenden Schlüssen. Zwar sind die Mieten seit 1970 tatsächlich gestiegen, die Löhne wurden aber gleichzeitig weit stärker erhöht. Der Mittelstand konnte diese gestiegene Kaufkraft auf dem Wohnungsmarkt auch im letzten Jahrzehnt halten. Aber die Wohnungsmarktpolitik in den Städten führt entgegen der Absicht zu chronischem Wohnungsmangel, fragwürdiger Umverteilung unter den Mietern und versteckten Kosten für die Allgemeinheit.

Ein flexibles Wohnungsangebot hält Wohnkosten tief

Teuerungsbereinigt sind die Mieten auf dem Schweizer Neu- und Wiedervermietungsmarkt seit 1970 um 38,5% gestiegen und liegen damit ungefähr wieder auf dem Stand der Jahre 1988 bzw. 1995. Die durchschnittliche Steigerungsrate seit 1970 beträgt 0,8% pro Jahr. Bedenkt man, dass das reale BIP in der gleichen Periode um 80% ausdehnt werden konnte und die Bevölkerung um 27% zunahm, mutet der Anstieg der Mieten bescheiden an. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch einen flexiblen Bodenmarkt und die ausreichende Versorgung mit neuen Wohnungen. Als Folge einer abflachenden Bautätigkeit hat die reale Mietteuerung im zurückliegenden Jahrzehnt auf 2,5% pro Jahr angezogen. Der nachlassende Neubau dürfte damit zusammenhängen, dass sich die Hauptnachfrage auf die Grosszentren und ihr engeres Umland verschoben hat. Hier ist Bauen stärker reguliert und teurer. Das Ausweichen in die äussere Peripherie der Metropolen verstärkte andererseits den Eindruck von übermässigem Landverbrauch und Zersiedelung. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass gemessen an der Nachfrageentwicklung – in den letzten zehn Jahren wenig in den Wohnbau investiert wurde.

Keine Umverteilung zugunsten der Grundeigentümer

Im Allgemeinen führten die höheren Mieten nicht zu einer Erosion der Tragbarkeit. Basierend auf den AHV-Beiträgen errechnet sich seit 1970 eine Zunahme der Reallöhne von gut 65%. Die Schweizer Haushalte konnten die Kaufkraft auf dem Wohnungsmarkt in dieser Zeitspanne somit um einen Viertel erhöhen. Die verbesserte Kaufkraft hielt auch der Zuwanderung stand. Die durchschnittliche Belastung der Brutto-Haushaltseinkommen durch Wohn- und Energiekosten nahm seit 2000 ab und bewegt sich seit 2004 um einen Wert von 17%. Trotz einer leichten Verschiebung zugunsten der höchsten Einkommen profitierte auch der Mittelstand von dieser Entwicklung. In den Jahren 2006 bis 2008 erzielte er ein Mehreinkommen von 14,6 Milliarden Franken. Der mittlere Schweizer Haushalt gab 2006-2008 15,7% seines Brutto-Einkommens für Wohnen und Energie aus. Von der behaupteten grossen Umverteilung zugunsten der Grundeigentümer kann somit keine Rede sein. Vielmehr sind steigende Mieten das Resultat einer massiven Zunahme des Wohlstands.

Die meisten städtischen Mieten sind günstig

Gemäss den Zahlen der statistischen Ämter sind die realen Mieten in den Grossstädten nur wenig gestiegen. In der Stadt Zürich – einem Hauptbrennpunkt der Zuwanderung – verlief die Entwicklung sogar unter dem Schweizer Durchschnitt. Dahinter stehen zwei Faktoren: das gesetzliche Prinzip der Kostenmiete und der gemeinnützige Wohnungsbau. Gemeinsames Merkmal ist, dass die Nachfrageseite nicht zu Mietzinsanpassungen führen darf. Drei Viertel der Stadtbewohner werden so von den Auswirkungen einer zunehmenden Nachfrage geschützt. Diese Markteingriffe führen aber dazu, dass die Mieten die wahre Knappheit des urbanen Raums nicht wiederspiegeln. Sie verlieren ihre Steuerungsfunktion und fördern die Unterbelegung des bestehenden Wohnungsparks. Verstärkt wird dies durch «Lock-In-Effekte»: Altmieter verlieren bei einem Umzug die Schutzwirkung des langjährigen Mietverhältnisses. Die Folgen sind Rationierung und chronische Wohnraumknappheit. Diese Erscheinungen sind keineswegs neu, sondern sie traten schon in den achtziger und neunziger Jahren auf, als die Grossstädte schrumpften. Durch die Zuwanderung werden sie heute lediglich zugespitzt.

Umverteilung auf Kosten der Allgemeinheit

In den Städten kreieren die Wohnungsmarktpolitik und das Kostenprinzip eine Umverteilung in grossem Stil. Im Vergleich zu einer (hypothetischen) Marktmiete fliessen in der Stadt Zürich jährlich rund 530 Millionen Franken zu den Mietern. Diese Umverteilung ist nicht umsonst zu haben. Die nicht bediente Nachfrage wird auf ein schmales Neu- und Wiedervermietungssegment verwiesen, wo die Mieten tatsächlich stark steigen. Neben dieser Segmentierung verursacht die breit abgestützte Förderung der Baugenossenschaften teilweise versteckte Kosten zulasten der Allgemeinheit, vor allem in Form entgangener Erträge für die Stadt und eingeschränkter Mobilität der Mieter.

Problematische Regulierungsvorhaben

Ein funktionierender Wohnungsmarkt würde den städtischen Wohnraum effizienter auf die Nachfrager verteilen, denn er könnte Nachfragern und Anbietern die richtigen Anreize setzen. Gleichwohl erscheint eine Deregulierung der Wohnungsmärkte politisch praktisch aussichtslos – in der gegenwärtigen Situation erst recht. Die Verschärfung der Regulierung durch die geforderten «flankierenden Massnahmen» wäre hingegen ein weiterer Schritt hin zur Abschottung der Städte, denn sie würden die «Lock-In-Effekte» verstärken und die kostspielige Segmentierung intensivieren. Durch Sonderzonen mit Mietzinsdeckeln entstünde durch die Hintertür eine Art neuer Baugenossenschaften. Es wäre hingegen zu prüfen, ob Haushalten mit geringer Kaufkraft mit einem Übergang zur Subjekthilfe (anstelle der heutigen Objekthilfe) nicht zielgerichteter geholfen werden könnte. Auch die Verbreitung des Wohneigentums in den Städten ist unterentwickelt.