Der Vorstoss von Bundesrätin Leuthard zur Stärkung der Bundeskompetenzen bei den Landesflughäfen wurzelt nicht in Allmachtfantasien, sondern in berechtigten Sorgen um die Zukunft des Flughafens Zürich. Denn diese zentrale nationale Infrastruktur ist in einem schier endlosen Streit zum Spielball regionaler Partikularinteressen geworden, die seine Entwicklung gefährden.

Die Anfänge des Konfliktes reichen bis in die 1990er Jahre zurück. Eskaliert ist die Auseinandersetzung jedoch, nachdem Deutschland 2001 Überflugbeschränkungen erliess. Durch Umverteilung von Fluglärm auf dicht besiedeltes schweizerisches Gebiet wurde der Streit nach innen gelenkt. Dieser «exogene Schock» offenbarte die Schwächen der föderalen Konfliktlösungsmechanismen.

Kompetenzen-Wirrwarr verhindert eine Konfliktlösung

Die Auseinandersetzung ist derart vielschichtig, dass selbst Experten sie kaum mehr überblicken. Die beiden zentralen Konfliktfelder sind kantonale Volks- und Behördeninitiativen auf der einen und der Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) auf der anderen Seite. Zusätzliche Schauplätze sind Klagen auf Lärmentschädigung, Einsprachen bei diversen Genehmigungsprozessen, technische Debatten um die Messung von Fluglärm sowie diplomatische Scharmützel mit Deutschland.

Der SIL ist ein raumplanerischer Koordinationsprozess zwischen dem Bund und den betroffenen Kantonen. Ziel ist die Erstellung eines neuen Betriebsreglements für den Flughafen, in dem das Pistensystem sowie das An- und Abflugregime – und somit die Lärmverteilung – festgeschrieben werden. Die Vorbereitungen für den SIL begannen 1996 mit Ausarbeitung von Grundlagen auf Bundesebene. Fast zwanzig Jahre später ist der SIL-Prozess für den Flughafen Zürich noch immer nicht abgeschlossen.

Sobald auf einem Konfliktfeld eine Entscheidung gefällt ist, wird diese von den unterlegenen Parteien infrage gestellt bzw. der Konflikt auf einen anderen Schauplatz verlagert. Die Ursache hierfür ist die Verschachtelung zwischen den betroffenen Politikfeldern (Raumplanung, Umwelt-, Verkehrs- und Aussenpolitik) sowie die breite Streuung von Kompetenzen über die drei Staatsebenen. Dadurch entsteht ein «föderales Geflecht», in dem sich der Flughafen verfangen hat (siehe Abbildung).

Die Kompetenzen bezüglich des Flughafens Zürich (roter Kasten) verteilen sich über diverse Politikfelder (horizontale Achse) und Akteursebenen (vertikale Achse). Die zahlreichen politischen Instrumente (graue Kästen) und ihre Interdependenzen (Pfeile) ergeben ein föderales Geflecht. Darin gibt es viele Vetopunkte und Blockademöglichkeiten, aber keinen zentralen «Entscheider», der einen Interessenausgleich herbeiführen könnte. Somit verschieben sich Entscheidungen über die langfristige Entwicklung dieser nationalen Infrastruktur in ein institutionelles Niemandsland.

Ein NIMBY-Konflikt ist nicht im Konsens lösbar

Dem Flughafenkonflikt liegt eine «NIMBY»-Problematik («not in my backyard») zugrunde, die man auch anderswo findet: Angesichts des positiven Gesamtnutzens geniessen viele Infrastrukturen – von Mobilfunkantennen bis zu Mülldeponien – breite Zustimmung, aber niemand möchte sie in seiner Nähe haben. Während die gesamte Schweiz vom Interkontinentalflughafen profitiert, wird der Fluglärm von den Nachbarregionen getragen, die jedoch im föderalen Geflecht als «Vetoplayer» auftreten.

Ein Charakteristikum von NIMBY-Auseinandersetzungen ist die kompromisslose Haltung der Konfliktparteien, da sich unangenehme Dinge wie Fluglärm nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten verteilen lassen. Es erstaunt daher nicht, dass im Flughafenkonflikt mit dem Mediationsverfahren und dem runden Tisch zwei auf Konsens ausgerichtete Lösungsansätze scheiterten. Vielmehr wurde der Streit um das Betriebsreglement zu einem Streit der Himmelsrichtungen: «Südschneiser», «Nordschneiser» und «Ostschneiser» versuchen auf Kosten anderer ihre Lärmbelastung zu minimieren.

Wie in anderen NIMBY-Konflikten kann es beim Flughafen Zürich keine allseits befriedigende Lösung geben. Daher wäre eine politische Entscheidung sinnvoll, die wenigstens das Verhältnis zwischen Gewinnern und Verlierern optimiert und den Unterlegenen eine gewisse Kompensation zugesteht. Eine solche Lösung kann jedoch nicht zwischen den betroffenen Konfliktparteien selber ausgehandelt werden, sondern sie bedarf eines zentralen Entscheiders, der eine Interessenabwägung im Sinne der Allgemeinheit vornehmen kann. Und diese Instanz kann legitimerweise nur der Bund sein.