Der Staat stellt in seiner Rolle als Einkäufer von Gütern und Dienstleistungen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Gemäss der OECD betrug das Beschaffungsvolumen des Gemeinwesens – also des Bundes, der Kantone und der Gemeinden – in der Schweiz 2013 rund 8% des Bruttoinlandproduktes, was über 4o Mrd. Fr. entspricht. Davon entfallen etwa 15% (6 Mrd. Fr.) auf den Bund. Ein Grossteil dieser Einkäufe wird mittels Ausschreibungen getätigt. Wie die Grafik zeigt, wurden 2010 rund 3400 Aufträge ausgeschrieben, 2015 waren es bereits mehr als 5500 Aufträge. Öffentlich ausgeschrieben wurden davon ca. 85% – der Rest wurde freihändig vergeben. Etwas anders sieht die Situation aus, wenn man die IT-Beschaffungsaufträge des Bundes isoliert betrachtet: Es fällt sofort auf, dass der Anteil der freihändig vergebenen Aufträge erheblich höher als der Gesamtdurchschnitt zu liegen kommt. Fast 40%, also 2 von 5 Aufträgen, werden im IT-Bereich nicht öffentlich ausgeschrieben.

Diese Entwicklung im IT-Bereich beunruhigt, hebeln freihändige Vergaben doch die Vorteile von Ausschreibungsverfahren aus: Diese lassen Wettbewerb da entstehen, wo es sonst keinen geben würde, fördern die Konkurrenz zwischen Anbietern und stellen somit sicher, dass das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zum Zuge kommt. Ausschreibungsverfahren tragen also zu einem effizienten Umgang mit knappen Staatsmitteln bei. Sie schaffen überdies Transparenz und sind ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Vetternwirtschaft oder gar Korruption. Trotzdem wäre es nicht sinnvoll, die Ausschreibung jedes noch so kleinen Auftrags zu fordern: Die Kosten einer Ausschreibung würden deren Nutzen schnell übersteigen. Der Gesetzgeber hat deshalb Schwellenwerte erlassen, die festlegen, ab welchen Beträgen welche Ausschreibungsverfahren zur Anwendung kommen sollen. Zudem gibt es eine Liste von Gründen, weshalb «überschwellige» Aufträge trotzdem freihändig vergeben werden dürfen: Zum Beispiel wenn eine Ausschreibung erfolglos verlief, wenn effektiv nur ein Anbieter in Frage kommt (es also gar keine Konkurrenten auf dem Markt gibt) oder wenn eine besondere zeitliche Dringlichkeit im Beschaffungsprozess besteht.

Gerade im IT-Bereich beruft man sich immer wieder auf diese Ausnahmeregelungen. Sinngemäss werden Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern sowie die Komplexität von IT-Projekten als Gründe für den Verzicht auf öffentliche Ausschreibungen angeführt. Dass IT-Projekte komplex sein können und man sich mit der Wahl einer bestimmten Hard- oder Software allenfalls in Abhängigkeiten begibt, lässt sich kaum bestreiten. Ob dies jedoch als Freipass für freihändige Beschaffungen interpretiert werden darf, ist fraglich. Schliesslich gäbe es ja die unterschiedlichsten Ansätze, um mit Komplexität und Abhängigkeiten umzugehen, bzw. um diese zu verringern. Mit dem Kartellgesetz ist es beispielsweise durchaus möglich, Abhängigkeiten von marktmächtigen Unternehmen in gewissen Situationen zu durchbrechen – so etwa, wenn diese ihre starke Marktstellung dazu ausnutzen, den Wettbewerb in den nachgelagerten Märkten für Service und Wartung ungebührlich einschränken.

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Kartellrechtliche Verfahren sind aber letztlich immer reaktiv. In diesem Sinne gilt auch für IT-Beschaffungen der Grundsatz «Vorbeugen ist besser als heilen». Um Abhängigkeiten vorzubeugen und die Komplexität von IT-Projekten zu reduzieren, bieten sich die folgenden Strategien an:

  • Erstens gibt es noch Verbesserungspotenzial in den Ausschreibungsprozessen: Wäre es etwa möglich, grosse Aufträge in Losen zu vergeben, so dass mehrere Auftragnehmer zum Zuge kommen und somit weniger starke Abhängigkeiten geschaffen werden? Könnte der Wettbewerb gefördert werden, indem Aufträge im Service- und Wartungsbereich öfter ausgeschrieben werden? Und wie könnten Hürden abgebaut werden, die einzelne Unternehmen von einer Teilnahme an einer Submission abhalten? Stichworte in diesem Zusammenhang sind z.B. eine «gerechte» Risikoverteilung oder auch der Verzicht auf übertriebene Akkreditierungsvorschriften.
  • Zweitens wäre es sinnvoll, das IT-Know-how der Beschaffungsstellen (weiter) zu erhöhen. Dabei geht es nicht einfach um Schulung, sondern ebenso um einen verbesserten Wissenstransfer zwischen den Beschaffungsstellen – und zwar innerhalb des Bundes sowie auch zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Zu diesem Ziel könnten unter anderem Datenbaken, die systematisch ausgewertet werden, beitragen. Und nicht zuletzt mag im Einzelfall der vermehrte Beizug von externen Spezialisten zweckmässig sein.
  • Drittens könnte näher mit den IT-Unternehmen zusammengearbeitet, eine Art «management of the suppliers» betrieben werden. Dies, um besser zu verstehen, was die einzelnen Unternehmen genau anbieten und welche Abhängigkeiten allenfalls bei der Wahl einer bestimmten Soft- oder Hardware entstehen. Zudem könnte so Transparenz geschaffen werden, mit welchen anderen Verwaltungsstellen ein IT-Unternehmen bereits zusammenarbeitet und wie deren Erfahrungen damit sind.
  • Viertens sollte die IT-Strategie des Gemeinwesens generell überdacht werden. Der Trend sollte in Richtung möglichst offener IT-Systeme gehen. Nur in begründeten Ausnahmen ist mit Speziallösungen zu arbeiten.
  • Fünftens braucht es eine konsequente Rechtsanwendung durch die Beschaffungsbehörden. So sollten allfällige Unregelmässigkeiten in den Beschaffungsprozessen umgehend den zuständigen Stellen (z.B. der Wettbewerbskommission) gemeldet werden. 

Dass sich mit diesen Massnahmen nicht restlos alle Probleme im Bereich der IT-Beschaffung lösen lassen, ist unbestritten. Die Beschaffung eines IT-Systems wird naturgemäss immer komplexer und anspruchsvoller sein als diejenige von Bleistiften. Dies ist jedoch kein Grund, die Segel zu streichen. Auch IT-Beschaffungen sollten unter möglichst wettbewerblichen Bedingungen erfolgen – dies ist der Staat seinen Steuerzahlern schuldig. 

Gekürztes Referat zum Thema «Wettbewerbsrechtliche Fragestellung und ökonomische Auswirkungen von freihändigen IT-Vergaben », IT-Beschaffungskonferenz, Bern 24. August 2016.