Worum geht es im Kern des Bankwesens? Viele würden sagen: Die Vermittlung von Krediten. Das stimmt aber nur bedingt, denn Banken vermitteln nicht einfach Geld und Kredit, sondern sie schaffen Geld und Kredit. Wie das genau funktioniert, ist komplex. Klar ist jedoch: Diese Aktivität geht mit systemischen Risiken einher, die zu «Bank Runs» und Kettenreaktionen im Finanzsystem führen können.

Die systemischen Risiken des Bankwesens versuchen Staaten seit jeher unter Kontrolle zu halten. Dessen ungeachtet ereigneten sich vor gut einem Jahr mehrere Bank Runs in den USA, und in der Schweiz geriet die Credit Suisse in Schieflage. Die Grossbank wurde unter Anwendung von Notrecht und der Gewährung von Bundesgarantien mit der UBS fusioniert. Wie hängen diese Geschehnisse zusammen? Um das zu verstehen, hilft ein Blick in die Vergangenheit.

In einem Land vor unserer Zeit

Das moderne Bankwesen ist seit seinen Anfängen vor rund 300 Jahren fragil. Schon früh haben sich deshalb Zentralbanken zu «Kreditgebern der letzten Instanz» entwickelt, um Bank Runs zu stoppen. Später wurden zusätzlich Einlagenversicherungen eingeführt. Solche Garantien wirken stabilisierend, aber sie haben Nebenwirkungen. Sie führen zu Fehlanreizen wie einer höheren Risikobereitschaft der Banken.

Es gilt, Kettenreaktionen im Finanzsystem ganzheitlich zu verhindern. (Adobe Stock)

Um diese Fehlanreize im Zaum zu halten, wurden verschiedene Regulierungen erlassen. Kapitalvorschriften sollen etwa dafür sorgen, dass Banken weniger Risiken eingehen und Verluste aus riskanten Tätigkeiten selbst tragen können. Das Regelwerk um die Banken kommt damit einem Ansatz von Zuckerbrot (Garantien) und Peitsche (Regulierung) gleich.

Dieser Ansatz funktionierte vor der digitalen Revolution nicht schlecht. Damals musste jede Finanztransaktion mit Stift und Papier festgehalten werden – das «Bankenbuch» war noch ein echtes physisches Buch. Für die Regulatoren war das ein Segen, denn wegen dieser technologischen Einschränkung hielt sich die Komplexität in Grenzen, und das Regelwerk war entsprechend griffig. Die Digitalisierung änderte das.

Die Digitalisierung als Zäsur

Heute können digital gespeicherte Vermögenswerte mit nur wenigen Klicks verschoben werden – und zwar innerhalb von Millisekunden über Grenzen von Institutionen und Jurisdiktionen hinweg. Moderne Informationstechnologien ermöglichen es zudem, Finanzverträge über unzählige Bilanzen zu kombinieren. In der Folge nahmen die finanzielle Verflechtung und die Komplexität des Finanzsystems dramatisch zu, und die Effektivität des bestehenden Regulierungsansatz ab.

Systemische Risiken werden heute im Zusammenspiel von Tausenden von Finanzinstitutionen geschaffen. Der Versuch der Regulatoren, mit dem alten Ansatz einzelne Finanzinstitute zu kontrollieren, hat bisher nur zu etwas geführt: einem gewaltigen Regulierungsdickicht. Wie wir wissen, konnten all diese Regeln vor einem Jahr nicht verhindern, dass wieder Notrecht und Staatsgarantien zum Zug kamen. Was also gilt es zu tun?

International ist ein grundsätzliches Umdenken beim Umgang mit systemischen Risiken angebracht. Es gilt, Kettenreaktionen im System ganzheitlich zu verhindern – etwa mit einer systemischen Solvenzregel. Auf nationaler Ebene drängt sich parallel dazu eine Adaptionsstrategie auf. Hier gilt es, die Widerstandsfähigkeit von Teilen des Finanzsektors markant zu verbessern, um die Auswirkungen einer Systemkrise auf das Kredit- und Zahlungssystem sowie die Währungsordnung zu minimieren.

Dieser Beitrag ist am 11. April 2024 in den «Schaffhauser Nachrichten» erschienen.