Die steigende Lebenserwartung bei gleichzeitig sinkender Geburtenrate führt zu einer Alterung unserer Gesellschaft. In der im Umlageverfahren finanzierten AHV wird dadurch die Belastung der arbeitenden Bevölkerung immer grösser. Auch in der beruflichen Vorsorge muss das angesparte Vorsorgekapital für mehr Rentenjahre als bisher genügen. Die heute gesetzlich verankerten Umwandlungssätze spiegeln die gestiegene Lebenserwartung jedoch nicht, weshalb die Renten zu hoch angesetzt werden und die Ansprüche der Pensionierten nur über Quersubventionierungen durch die Erwerbstätigen befriedigt werden können.

Drei Stellschrauben

Um diesen demographischen Entwicklungen entgegenzuwirken, können grundsätzlich drei Wege eingeschlagen werden:

  1. Rentenkürzungen: Eine Reduktion der AHV-Renten, die das existentielle Minimum sicherstellen müssen, ist politisch kaum vorstellbar – und auch wenig zweckdienlich. Aber auch die Annahme des Referendums vom März 2010 gegen eine Senkung des Umwandlungssatzes scheint zu beweisen, dass die Schweizer die Kürzung ihrer Renten aus der 2. Säule nicht ohne Kompensationen hinnehmen wollen. Rentenkürzungen sind also im aktuellen politischen Umfeld nicht realistisch.
  2. Höhere Sparbeiträge: Es könnten auch die Lohnbeiträge der Erwerbstätigen erhöht werden. Eine solche Massnahme würde jedoch der Standortattraktivität der Schweiz schaden. Seit der Einführung der AHV im Jahr 1948 sind sie von 4% auf 12,5% (2010) erhöht worden (inkl. EO, IV und ALV). Dazu kommen die Altersgutschriften für die berufliche Vorsorge von mindestens 7% für 25-Jährige bis mindestens 18% für die über 55-Jährigen. In einem vom starken Franken geprägten wirtschaftlichen Umfeld würde jede zusätzliche Zwangsabgabe die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen schwächen.
  3. Anhebung des Rentenalters: Es bleibt also, drittens, die Anhebung des ordentlichen Rentenalters, das heute für Männer bei 65 Jahren und für Frauen bei 64 Jahren liegt. Interessanterweise wurde das Rentenalter 65 bereits 1948 als obere Messlatte festgelegt. Damals betrug jedoch die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer nach der Pensionierung lediglich 12,4 Jahre. Dank höherem Wohlstand und medizinischem Fortschritt stieg dieser Wert bis 2009 auf 18,8 Jahre. Das ist eine Steigerung um 52%. Die Schweizer leben aber nicht nur länger, sondern bleiben auch länger gesund und können ihren Ruhestand viel mehr als frühere Generationen geniessen. Noch im Jahr 1992 konnten Männer im Durchschnitt mit 11 Pensionsjahren bei guter Gesundheit rechnen, 2007 lag diese Zahl bereits bei 13 Jahren. Eine Erhöhung des Rentenalters erscheint deshalb absolut vertretbar.

Diesmal ist das Ausland schneller

Im internationalen Vergleich steht die Schweiz mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 82,3 Jahren sehr gut da und wird innerhalb der OECD nur noch von Japan (83,0 Jahre) überholt. Dennoch stossen hierzulande politische Vorstösse zur Erhöhung des Rentenalters auf heftigen Widerstand. Selbst die Angleichung des ordentlichen Rentenalters für Mann und Frau auf 65 ist sehr umstritten. Ein anderer Trend lässt sich in unseren Nachbarländern beobachten. Bereits 11 von 34 OECD-Ländern haben eine Erhöhung des Pensionsalters auf 67 bzw. 68 Jahren entweder beschlossen oder sogar bereits umgesetzt (siehe Abbildung). Darunter sind Dänemark und Norwegen aber auch südeuropäische Länder wie Italien und Spanien zu finden. Der Entschluss dieser Länder, das Rentenalter zu erhöhen, ist umso beachtlicher, als deren Bürger zum Teil eine erheblich kürzere Lebenserwartung haben. So liegt diese in den USA um vier Jahre, in Tschechien sogar um fünf Jahre tiefer als in der Schweiz. Hinzu kommt, dass vier der elf OECD-Vorreiter einen höheren Anteil der aktiven Bevölkerung in der Landwirtschaft und in der Industrie haben als die Schweiz. Mit 74% ihrer Beschäftigten im Dienstleistungsbereich, der eine geringere körperliche Abnützung mit sich bringt, hätte man deshalb eher von der Schweiz erwartet, dass sie das Rentenalter noch vor diesen Ländern erhöht. International gesehen ist der Schweizer Widerstand gegen eine Erhöhung des Rentenalters kaum nachvollziehbar. Weder die Lebenserwartung noch die sektorielle Struktur der Wirtschaft können diesen politischen Stillstand rechtfertigen.

Lesen Sie hier, wie die Schweiz aus dieser Patt-Situation wieder herauskommen kann.