Geldpolitik erfreut sich in der Öffentlichkeit einer grösseren Beachtung als auch schon. Die Gründe dafür sind vielseitig: Natürlich spielt die Wechselkurspolitik der Schweizerischen Nationalbank eine grosse Rolle, doch auch generelle Gedanken über das Geldsystem haben Hochkonjunktur. Unter anderem steht dabei die Tatsache im Fokus, dass Geld spätestens seit Ende des Bretton-Woods-Systems (de facto schon vorher) nicht mehr mit einem realen Wert (z.B. Gold) hinterlegt ist, sondern dass wir uns in einem System sogenannten «Fiat Gelds» befinden. Während früher die Möglichkeit des Umtausches in Edelmetall das Vertrauen in die Wertstabilität von Geld begründete, soll dies im «Fiat Geld»-System durch die unabhängige und gesetzlich auf Preisstabilität verpflichtete Zentralbank sichergestellt werden (in der Schweiz beispielsweise festgehalten in der Verfassung und im Nationalbankgesetz).

Geld verliert tatsächlich an Wert

Kritiker monieren jedoch, dass in einem solchen System die Wertstabilität von Geld nicht mehr gegeben ist, da Regierungen einen Anreiz zur Inflationierung hätten, um ihre reale Schuldenlast zu senken und der Sparer damit quasi enteignet würde. Schaut man sich die Entwicklung der Konsumentenpreise seit Gründung der modernen Eidgenossenschaft in Grafik 1 an, so könnte man diesem Vorwurf auf den ersten Blick durchaus etwas abgewinnen. Während die Preise und damit der Wert des Schweizer Frankens bis zum ersten Weltkrieg (während des sogenannten Goldstandards) und auch in der Zwischenkriegszeit relativ stabil waren, hat in den Folgejahrzehnten eine Entwertung von über 90% stattgefunden – und dies besonders nach Ende des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973. Mit anderen Worten: Vor etwas mehr als hundert Jahren hätte man sich mit einer Hundertfrankennote noch zehnmal mehr Güter und Dienstleistungen leisten können als heute.

Bei aller Zurückhaltung bezüglich Datenqualität und -vergleichbarkeit ist dies ein imposanter Wert. Kritiker schliessen daraus, dass eine Rückkehr zu einem Warengeldsystem wie dem Goldstandard oder ein Systemwechsel im Sinne eines Währungswettbewerbs viel vorteilhafter wäre und für eine stabilere Entwicklung sorgen würde.

Doch wie so viele andere zeigt auch diese Statistik nur die halbe Wahrheit. Das Problem ist, dass die Kritiker des «Fiat Geld»-Systems einige fundamentale ökonomische Denkfehler machen:

  1. Es ist a priori nicht korrekt, dass Inflation zum Nachteil von Sparern und zum Vorteil von Schuldnern sein muss. Wird Inflation korrekt antizipiert, dann spiegelt sich diese Erwartung in der Höhe des Zinses (man kennt diesen Zusammenhang als Fisher’s Rule). Mit anderen Worten werden Sparer für den Kaufkraftverlust ihrer Anlage entschädigt. Dies gilt natürlich nicht für Bargeld, doch dieses ist als langfristiges Wertaufbewahrungsmittel sowieso weniger geeignet.
  2. Preisstabilität ist kein Selbstzweck, sondern zentral für eine stabile und langfristig prosperierende Wirtschaftsentwicklung. Stabile Preise erlauben es, langfristige Verträge abzuschliessen, ohne dass die eine oder andere Vertragsseite Verluste befürchten müsste. Doch auch hier gilt wieder, dass eine korrekt antizipierte Preisentwicklung beim Vertragsabschluss berücksichtigt werden kann, Inflation an sich also nicht zum Nachteil einer der beiden Seiten sein muss.
  3. Stabile Preise sorgen im Allgemeinen auch dafür, dass das relative Preisgefüge stabil bleibt und keine wohlstandsmindernden Verzerrungen auftreten (z.B. weil einige Firmen ihre Preise schneller und günstiger anpassen können als andere). Entsprechend ist nicht die langfristige Geldwertstabilität entscheidend, sondern vielmehr, dass Ausschläge in der Preisentwicklung vermieden werden.

Inflationsstabilität ist entscheidend

Der Blick auf die reine Entwicklung des Preisniveaus wie in Grafik 1 verkennt somit die Tatsache, dass eigentlich die Variabilität der Veränderungsrate – also der Inflation – der ökonomisch entscheidende Faktor ist. Die Inflation sollte über die Zeit möglichst stabil sein und den Erwartungen der Wirtschaftssubjekte entsprechen.

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund die jährlichen Inflationsraten in Grafik 2 an, so sieht man, dass die vermeintlich stabilen Zeiten im 19. Jahrhundert von enormen Preisschwankungen geprägt waren. Das spiegelt sich auch in den statistischen Kennzahlen. Während die mittlere Preisschwankung (Standardabweichung) in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg und auch im Bretton-Woods-System über 7% betrug (Zwischenkriegszeit rund 5%), sank dieser Wert danach auf knapp 2%.

Unter dem modernen «Fiat Geld»-System mag sich das Preisniveau langfristig stark erhöht haben, allerdings war in der Schweiz die durchschnittliche Inflationsrate (seit 1973) mit rund 2% relativ moderat. Gleichzeitig waren die Schwankungen wesentlich tiefer.

Natürlich lässt sich nun fragen, wieso nicht eine noch stabilere Entwicklung angestrebt wurde. Dem kann man entgegenhalten, dass es einerseits geldpolitisch einfacher ist, eine leicht positive Inflationsrate anzustreben. Ein Inflationsziel von Null würde wohl zu grösseren Schwankungen mit entsprechenden Nachteilen führen. Anderseits gibt es auch Argumente, wonach eine langfristig positive (aber tiefe) Inflation makroökonomisch von Vorteil sein kann, indem sie eine moderate Dynamik bei der Preissetzung von Unternehmen aufrechterhält.

Schliesslich mag man einwenden, dass trotz dieser Vorteile die Gefahr bestehen bleibt, dass sich Regierungen unter Druck zulasten der Bevölkerung an der Notenpresse bedienen. Hierfür muss man nicht einmal weit in der Geschichte zurückgehen, die aktuelle Entwicklung in Venezuela zeigt die Problematik eindrücklich. Doch diese Gefahr besteht auch in anderen Systemen, wie die Aufhebung der Goldparität im Ersten Weltkrieg oder der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems illustrieren.

Das heutige Geldsystem bleibt überlegen

Das moderne «Fiat Geld»-System ermöglicht eine inflationsstabile Entwicklung, wie sie andere Geldsysteme schlicht nicht zu leisten im Stande sind. Dieser Vorteil ist entscheidend und macht es –  bei aller möglichen Kritik an der Politik westlicher Zentralbanken – zu einem Eckpfeiler von Prosperität und Wohlstand.