An der Vernissage der neuen Avenir-Suisse-Publikation «Generationenungerechtigkeit überwinden» haben die Autoren Prof. P. Perrig-Chiello (Uni Bern), Prof. M. Eling (HSG) und Prof. F. Höpflinger (Uni Zürich) sowie Dr. J. Cosandey von Avenir Suisse aufgezeigt, dass sich heute nicht einfach «Jung» und «Alt», sondern vier Generationen in wechselnden Abhängigkeiten gegenüberstehen: Kinder und Jugendliche, Erwerbstätige, Jungrentner und Hochaltrige. Doch die Alterung der Gesellschaft wird dieses Gleichgewicht gefährden.

Der Generationenvertrag wird von den Vertragsparteien als fair empfunden, wenn jede Generation davon ausgehen kann, dass sie in ihrem Leben gleich viele Leistungen erhalten wird, wie sie selber erbringt. Diese Leistungen umfassen sowohl finanzielles wie persönliches Engagement, in der Familie oder in der Zivilgesellschaft, die über den gesamten Lebenszyklus hinweg erbracht und bezogen werden. Diese vielfältigen Generationenbeziehungen wurden am 10. Juli im Rahmen einer Buchvernissage vor über 70 hochkarätigen Vertretern aus Politik, Verwaltung, Fachorganisationen und Wirtschaft bei Avenir Suisse präsentiert.

Prof. Pasqualina Perrig-Chiello stellte die Situation der «Sandwich» Generation dar.

Die Sitution der «Sandwich» Generation

Prof. Pasqualina Perrig-Chiello stellte zunächst die Situation der «Sandwich» Generation dar. Diese Altersgruppe zwischen 45 und 55 muss sowohl für die jüngere (die eigenen Kinder) wie für die ältere (die eigenen Eltern) Generationen sorgen, und zwar in finanzieller– sie leistet den grössten Anteil der Steuern, Sozialsicherungsbeiträgen und Krankenkassenprämien – wie auch in zeitlicher Hinsicht, der unbezahlten Care-Arbeit. Diese Betreuungs-, Sorge- und Pflegeaufgaben sind von hohem wirtschaftlichem Wert und tragen viel zum sozialen Wohlstand unseres Landes bei. 2010 wurden in der Schweiz 8,2 Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit zu 63% von Frauen geleistet, gegenüber 7,5 Milliarden entlohnten Arbeitsstunden.

Die Babyboomer werden zu Jungrentnern

Prof. Martin Elling präsentierte die Situation der Jungrentner deren Zahl und politischer Einfluss markant steigen wird.

Prof. Martin Elling präsentierte die Situation der Jungrentner. Mit der anstehenden Pensionierung der Babyboomergeneration werden deren Zahl und politischer Einfluss markant steigen. Mit dem Übergang von der Erwerbsphase ins Rentenalter werden die Jungrentner von Nettozahlern zu Nettoempfängern (siehe Abbildung). Zwar sinkt ihr direktes Einkommen aufgrund der Pensionierung nominell, der Rückgang wird jedoch durch die mit dem Alter steigenden Transferleistungen mehr als wettgemacht. Dass Jungrentner im Rahmen des Generationenvertrags nicht nur Leistungen beziehen, sondern auch erbringen, sollte gesellschaftlich mehr anerkannt werden. Sie sind die Altersgruppe, die sich am meisten in der informellen Freiwilligenarbeit engagiert. Das grosse Potenzial dieser Generation wird heute erst teilweise genutzt. Sie sind noch rüstig und engagiert und könnten z.B. in Teilzeitpensen weiter arbeiten. Ihre Finanzkraft stellt ein wichtiges, wachsendes Markpotenzial dar.

Die «jungen Alten» und die «alten Alten»

Prof. Francois Höpflinger

«Im Gegensatz zur positiven Aufwertung des dritten Lebensalters ist das hohe Alter heute überwiegend mit negativen Vorzeichen versehen»: Prof. François Höpflinger

Prof. François Höpflinger legte die Situation der Hochaltrigen dar. Hier wird vermehrt zwischen dem dritten Lebensalter bzw. den «jungen Alten» und dem vierten Lebensalter bzw. den «alten Alten» differenziert. Im Gegensatz zur positiven Aufwertung des dritten Lebensalters ist das hohe Alter heute überwiegend mit negativen Vorzeichen versehen. Doch darf ein zentraler Beitrag der Hochaltrigen zum Generationenvertrag nicht übersehen werden: Je selbständiger alte Menschen ihren Alltag trotz funktionalen Erschwernissen organisieren und Verantwortung für sich selbst tragen können, desto mehr werden die jüngeren Generationen entlastet. Programme zur Förderung der Selbständigkeit im hohen Lebensalter weisen deshalb eine wichtige intergenerative Wirkung auf.

Massnahmen für eine Revision des Generationenvertrags

Jérôme Cosandey fasste diese Gesamtsicht der Generationenbeziehungen mit einem Blick in die Zukunft zusammen. Das heutige Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen wird aufgrund der Pensionierung und später der Pflegebedürftigkeit der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer massgeblich tangiert werden. Niemand bestreitet, dass diese Kohorte einen wichtigen Beitrag zum Generationenvertrag geleistet hat. Aufgrund ihrer Grösse wird sie jedoch Kosten verursachen, die durch die aktive Bevölkerung alleine kaum getragen werden kann.

Er stellte einen bunten Strauss von Massnahmen für eine Revision des Generationenvertrags sowohl auf privater wie auf öffentlicher Ebene vor: Betreuungsgutschriften für die Finanzierung von Krippenplätzen, flexible Arbeitsplätze für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie, Vorschläge zur Mobilisierung der Jungrentner oder eine neue Finanzierung der Alterspflege.  Allen Massnahmen ist gemein, dass sie sich entlang dem Lebenszyklus aller Altersgruppen ausrichten. Die simple Unterteilung in «Jung» vs. «Alt»  greift zu kurz.

Die neue Avenir-Suisse-Publikation «Generationenungerechtigkeit überwinden» in den Medien:

  • Beitrag und Interview mit Jérôme Cosandey in in der Tagesschau,
  • Beitrag in der Sendung 10vor10
  • Interview mit  Jérôme Cosandey in der Sendung Rendez-vous von Radio SRF.

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