Der Klimaschutz muss an Fahrt aufnehmen – keine Frage. Nicht nur international, sondern auch in der Schweiz. Ein Steilpass für die Politik, gestaltend einzugreifen. Gerade auf kommunaler Ebene besteht dabei aber die Gefahr, dass sehr viel Geld für geringe Reduktionen des Treibhausgas-Ausstosses ausgegeben wird.

Ein Pararadebeispiel dafür liefert Winterthur. Dessen Bevölkerung sprach sich am 28. November 2021 deutlich für die Erreichung von Netto-null-Emissionen bis 2040 – also in 18 Jahren – aus. Ehrgeizige Ziele fordern entsprechende Massnahmen. Darum wird derzeit die Anschaffung eines Tanklöschfahrzeugs (TLF) mit Elektroantrieb diskutiert. Dessen Preisschild: 1 Million Franken.

Ein herkömmliches Löschfahrzeug, das das Pflichtenheft der kantonalen Gebäudeversicherung erfülle, kostet gemäss der Kantonsregierung 420’000 Franken. Wie viel ist die Winterthurer Stadtregierung folglich gewillt, für die Reduktion des CO2-Ausstosses um 1 Tonne auszugeben? Nun, die Antwort haben wir – im Titel – schon gespoilert. Wer nicht am Rechnungsweg interessiert ist, kann die Lektüre gerne beim nächsten Absatz fortsetzen. Für alle, die hiergeblieben sind:

  • Nehmen wir für den Verbrauch des herkömmlichen Fahrzeugs 40 Liter Diesel / 100 km an. Der eigentliche Verbrauch liegt bloss bei ca. 25 bis 30 Liter / 100 km. Eine erhebliche Reserve ist hier dazugerechnet, um die Dieselverbrauch des Generators während Einsätzen (Pumpen, Lichter, Mechanik) mitzuberücksichtigen. So kommt man auf rund 1,04 kg CO2 / km.
  • Die Betriebsdauer eines solchen Fahrzeugs liegt bei etwa 25 Jahren. Pro Jahr legt ein Winterthurer TLF eine Distanz von 2500 km zurück, im Verlauf seiner Betriebsdauer also 62’500 km.
  • Daraus folgt (auch nur unter der unplausiblen Annahme, dass der Strom komplett CO2-frei produziert werden kann) eine Reduktion der CO2-Emissionen um 65 Tonnen.
  • Beim Kaufpreis liegt das E-TLF 580’000 Fr. über dem herkömmlichen TLF. Die Dieselkosten liegen (bei 1.75 Fr. / Liter) über den Lebenszyklus etwa bei 44’000 Fr., die Stromkosten (20 Rp./kWh) bei etwa 12’000 Fr.
  • Auch unter der Annahme gewisser weiterer Vorteile des E-Fahrzeugs bezüglich Betriebs- und Wartungskosten bleibt der Preisunterschied über 500’000 Fr.

Daraus resultieren Kosten von rund 8000 Fr. pro vermiedene Tonne CO2. Einige Vergleichsgrössen veranschaulichen die absurde Höhe dieses Betrags:

  • Noch vor einem Jahr betrug der Preis für eine Tonne CO2 im EU-Zertifikathandelssystem etwa 30 Euro, unterdessen ist er auf 80 Euro gestiegen.
  • Die schweizerische CO2-Abgabe liegt seit diesem Jahr bei 120 Fr./Tonne – was, mit Schweden zusammen, den höchsten CO2-Preis überhaupt weltweit darstellt.
  • Das für seine hohen Vermeidungskosten in liberalen Kreisen oft kritisierte Gebäudeprogramm hatte 2020 mittlere Subventionskosten von 207 Fr./Tonne.
  • Die von Climeworks in Hinwil betriebene Anlage, die CO2 aus der Luft filtert, operiert derzeit mit Reduktionskosten von 700 Fr./Tonne. Gemäss eigenen Aussagen liessen sich diese Kosten in den nächsten Jahren bei entsprechenden Investitionen und Skalierung schnell reduzieren. Andere zweifeln, ob diese Technologien bald Markttauglichkeit – also: vernünftige Preise – erreichen. Schon das jetzige (hohe) Preisschild liegt aber um mehr als Faktor 10 unter den kalkulierten Reduktionskosten des E-Feuerwehrfahrzeugs.

Basel-Stadt hat’s schon, Winterthur will auch eines: Elektro-Löschfahrzeug RT. (Bild Screenshot Website Rosenbauer)

Nun könnte man natürlich mantraartig darauf verweisen, dass die Schweiz ja reich sei und sich das leisten könne. Der Kanton Basel-Stadt hat bereits vier solche Feuerwehrwagen angeschafft, da soll Winterthur nicht hintenanstehen, sondern ebenfalls als Vorbild glänzen!

Könnte man. Aber als Winterthurer Stimmbürgerin oder Stimmbürger sollte man sich – und zwar ganz besonders, wenn einem das Klima am Herzen liegt – schon fragen: Wäre es nicht klüger, mit diesem umfangreichen Einsatz öffentlicher Gelder mehr fürs Klima herauszuholen, als mit der Beschaffung eines funkelnden Elektro-Feuerwehrautos möglich ist? Statt der 65 Tonnen wäre mit besagten Mehrausgaben eine Reduktion von 740 Tonnen (Luftfilterung), 2500 Tonnen (Gebäudeprogramm), 6500 Tonnen (EU-Handelssystem) oder gar 15’000 Tonnen (ein Kooperationsprojekt zur Reduktion von CO2 in einem Schwellenland, beispielsweise mit einer Partnergemeinde vor Ort) möglich. Für die Klimawirkung ist es irrelevant, wie und wo CO2 reduziert wird – entscheidend ist einzig wie viel.

Mit dem Kauf eines batteriebetriebenen Löschfahrzeugs wird in erster Linie ein Signal an die klimaaffine Klientel ausgesandt: Wir machen was! Doch eine solche – sehr teure – Symbolpolitik entzieht einem tatsächlich wirkungsvollen Klimaschutz wertvolle Ressourcen und ist daher in gewisser Weise als unmoralisch zu betrachten.