Die Schweiz investiert relativ wenig in die Finanzierung von Jungunternehmen (Venture Capital). Mit gerade mal 0,04% des Bruttoinlandprodukts betragen diese Investitionen lediglich einen Zehntel der Spitzenreiter USA und Israel sowie einen Fünftel des OECD-Durchschnitts. Kapitalhungrige Jungunternehmer schielen deshalb gerne nach den Spartöpfen der Pensionskassen und haben in der Stiftung «Pro Zukunftsfonds Schweiz» eine Lobbyorganisation für ihre Anliegen gefunden.
Eine gegenseitige Liebe?
Aus Sicht der Start-ups stellen Pensionskassen ideale Anleger dar. Sie verfügen über erhebliche Mittel, wollen sich möglichst wenig in die strategische Unternehmensführung einmischen und verfügen über einen langfristigen Anlagehorizont. Doch stösst diese Begeisterung auch auf Gegenliebe? Die Pensionskassen suchen im derzeitigen Umfeld von Negativzinsen und überteuerten Aktien- und Immobilienmärkten verzweifelt nach neuen Anlagemöglichkeiten. Dennoch investieren sie Schätzungen zufolge lediglich 0,02% ihrer Mittel in Start-ups. Dieses zögerliche Engagement ist eher ein Indikator für die Schwierigkeit, vielversprechende Investitionsvorhaben in der Schweiz auszumachen.
Ein Spezialfall, aber kein Einzelfall
Es ist zugegebenermassen schwierig, die «seltene Perle» im Risikokapitalbereich zu finden. Dazu braucht es Marktkenntnisse, den Zugang zu den Besitzern von Start-ups sowie die Fähigkeit, deren Führungsqualitäten zu beurteilen. Dies erfordert Ressourcen und kostet Geld, und diesen Aufwand können die Pensionskassen nicht alleine schultern.
Doch die Suche nach Skaleneffekten ist nicht auf das Venture Capital beschränkt. Im Gegenteil, die Vorsorgeeinrichtungen haben eine lange Tradition bei der Bündelung ihrer Ressourcen. Dies ist in ihrer DNA verankert. Auf der Aktivseite wären da die Anlagefonds zu nennen, die sich auf KMU-Aktien, Unternehmensanleihen oder Infrastrukturprojekte in fernen Ländern spezialisieren. Und auf der Passivseite ist auf die zahlreichen Pensionskassen zu verweisen, die sich zusammenschliessen, um mit den Rückversicherern bessere Konditionen auszuhandeln. In der 2. Säule lassen sich immer Finanzintermediäre finden, um die Probleme hinsichtlich der notwendigen kritischen Grösse zu lösen. Weshalb sollte dies beim Venture Capital anders sein? Ist die Schaffung eines «Zukunftsfonds Schweiz» unter der Ägide des Bundes tatsächlich eine angemessene Antwort auf diese mangelnde Begeisterung?
Verbesserung des Portfolios
Fest steht: Investitionen in Venture Capital sind für eine Pensionskasse durchaus geeignet. Diese Anlagen weisen lediglich eine geringe Korrelation mit der Performance anderer Anlageklassen auf. Nach Markowitz’ Portfoliotheorie verringert die Diversifikation die Volatilität eines Portfolios bei gegebener Rendite oder erhöht dessen Rendite bei gleich hohem Risiko. Der Preis für diese Verbesserung sind die hohen Verwaltungskosten und ein Liquiditätsmangel. Doch solange die Pensionskassen nur geringfügige Summen in Venture Capital investieren, bleibt dieses Risiko überschaubar.
Dennoch muss uns die Unterstützung seitens der Politik in Form eines «Zukunftsfonds Schweiz», wie sie von zahlreichen Parlamentariern sowie von den Bundesräten Berset und Schneider-Ammann erfolgte, skeptisch stimmen. Wozu braucht es für einen solchen Vorstoss, der die bereits im Markt vorhandenen privaten Akteure konkurrenziert, den Segen des Bundes? Wozu dient eine öffentliche Deklaration, die der Finanzierung des Schweizer Markts Priorität einräumt?
Patriotischer Sirenengesang
Selbst wenn kein formeller Zwang besteht, in den «Zukunftsfonds Schweiz» zu investieren – was zu begrüssen ist –, so ist der moralische Druck, sich an einem vom «Staat sanktionierten» Fonds zu beteiligen, nicht zu unterschätzen. Demnächst werden wohl gewählte Volksvertreter die öffentlich-rechtlichen Kassen auffordern, in Fonds zu investieren, welche die lokale Wirtschaft unterstützen. Doch dieser «Ricola-Reflex», vor allem Kräutchen aus dem heimischen Garten zu pflücken, ist gefährlich. Dem Regionalismus verpflichtete Vorhaben sind selten ein Garant für effizientes Portfolio-Management.
Wenn die Politiker wirklich die Gründung von Start-ups fördern wollen, dann müssen sie attraktive Rahmenbedingungen schaffen, beispielsweise mit einer Fachhochschulpolitik, welche die Exzellenz und nicht den «Kantönligeist» in den Vordergrund stellt. Ausserdem sollten sie für eine steuerliche Behandlung von Start-ups sorgen, die auf deren Bedürfnisse zugeschnitten ist, und den Zugang zu ausländischen Fachkräften erleichtern. Die Stiftungsräte sind hingegen vor jeglichem politischen Druck zu schützen. Ihre Rolle als Treuhänder ihrer Versicherten besteht darin, die Renditen zu optimieren und die Renten zu garantieren. Punkt. Diese Aufgabe ist auch ohne zusätzliche «patriotische Komponente» schon schwierig genug!
Dieser Beitrag ist am 16. März 2018 in der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge» erschienen.