Es gehört zu den wenig bekannten Eigenheiten des Schweizer Staats, dass er sich auf Bundesebene eine in die Verwaltung integrierte Forschungsanstalt für Agrarwissenschaften leistet. Agroscope verfügt über ein jährliches Budget von rund 190 Mio. Fr. und beschäftigte 2016 an zehn Standorten 911 Personen. Zum Vergleich: Die gesamte Innovationsförderung des Bundes erhält unwesentlich mehr Mittel.
Vor dem Hintergrund der angespannten Bundesfinanzen ist eine so grosszügige Ausstattung besonders befremdlich. Während andere Forschungsinstitutionen sich immer stärker um ihre Finanzierung bemühen müssen und die Grundfinanzierung des ETH-Bereichs unter Druck gerät, kann Agroscope auf eine eigene Kasse zurückgreifen. Dazu kommt, dass die Forschung eigentlich primär landwirtschaftspolitischen Zwecken dient, die Mittel aber zu weniger als der Hälfte der entsprechenden Budgetposition zugewiesen werden.
Man stelle sich vor, welchen Aufschrei es gäbe, wenn Forschungsaufträge des Bundes in der militärischen Verteidigung als allgemeine Beiträge an Bildung, Forschung und Innovation bezeichnet würden. Zusätzliche Unterstützung für die Landwirtschaft unter dem Deckmantel der Forschungsförderung zu verkaufen, ist politisch wenig statthaft. Faktisch betreibt die Schweiz aus volkswirtschaftlicher Sicht wahrscheinlich ein Übermass an Agrarforschung zulasten anderer Bereiche.
Die Sonderstellung von Agroscope ist vor allem historisch begründet. Einerseits spielte der Primärsektor wirtschaftlich früher eine grössere Rolle, andererseits führten die beiden Weltkriege dazu, dass die Landwirtschaftsproduktion politisch im Fokus stand. Strukturwandel und Globalisierung haben diese beiden Aspekte allerdings relativiert.
Das soll nicht heissen, dass Agroscope und seine Angestellten schlechte Arbeit leisten. Doch in finanzpolitisch angespannten Zeiten müssen gewachsene Strukturen hinterfragt und die Effizienz jedes Steuerfrankens verbessert werden.
Mehr Qualität bei verbesserter Effizienz möglich
Eine zweckmässige Lösung wäre es, die verschiedenen Bereiche von Agroscope den Hochschulen anzugliedern und die finanziellen Mittel entsprechend umzuleiten. Die auf Grundlagenforschung ausgerichteten Teile könnten dabei in den ETH-Bereich überführt und beispielsweise bei der EPFL in Lausanne angegliedert werden. Der eher anwendungsorientierte Teil könnte entsprechend in die beiden bereits in der Agrarwissenschaft tätigen Fachhochschulen integriert werden.
Ein solches Setting hätte mehrere Vorteile: Erstens würde die Agrarforschung grundsätzlich unabhängig von Politik und Verwaltung. Der Erfolg des Forschungsstandorts Schweiz liegt wesentlich in seiner Organisation von unten nach oben. Forschungsthemen werden nicht politisch vorgegeben, denn Politik und Verwaltung kennen die vielversprechendsten Forschungsfelder in der Regel nicht. Dies sollte auch für die Landwirtschaft gelten.
Zweitens müsste sich die landwirtschaftliche Forschung aufgrund der höheren Unabhängigkeit vermehrt um Drittmittel bemühen und sich damit an Exzellenzkriterien messen lassen. Der Qualität der Forschung wäre dies zuträglich. Drittens könnten Synergieeffekte mit der bestehenden Infrastruktur der Hochschulen und der dort vertretenen Agrarforschung genutzt werden. Der Bund müsste also nicht sämtliche frei gewordenen Mittel «transferieren». Vertretbar wäre eine Reduktion um 25%, was über 45 Mio. Fr. entspräche. Eine mehr als willkommene Entlastung für den Bundeshaushalt.
Gewachsene Strukturen zu durchbrechen, benötigt Mut und Flexibilität von den betroffenen Stellen. Die Schweizer Agrarforschung durfte sich lange einer Sonderstellung erfreuen, doch lässt sich diese weder landwirtschafts-, noch forschungs- und schon gar nicht finanzpolitisch mehr begründen. Die Integration von Agroscope in das bestehende Hochschulsystem ist überfälliger Schritt.
Dieser Beitrag ist am 28. Juli 2017 in der «Finanz und Wirtschaft» erschienen.