Alterspflege findet nicht nur daheim oder im Heim statt, sondern auch in zahlreichen Formen von intermediären Strukturen wie Generationenhäuser, betreuten Wohnungen oder Tagesstrukturen. Letztere nehmen Pflegebedürftige tageweise auf, eine Art Tagesstätte für Senioren. Sie bieten den pflegenden Angehörigen eine Entlastungsmöglichkeit, um Kraft zu tanken oder einer beruflichen Tätigkeit nachgehen und somit ihre Lebenspartner oder Eltern weiterhin zu Hause pflegen zu können.
Zugespitzt formuliert: Geht man von der vereinfachten Annahme aus, dass der Heimeintritt der pflegebedürftigen Person (aufgrund der Entlastung) durch pflegende Angehörige vermieden werden kann, ersetzt jeder Platz in einer Tagesstätte, die fünf Tage pro Woche offen ist, fünf Betten in einer stationären Einrichtung. Die Altersleitbilder und Versorgungsplanungen der meisten Kantone sehen auch deshalb einen Ausbau von Tagesstrukturen vor.
Widersprüchliche Signale
Die effektive Nachfrage nach Tagesstätten ist schwierig zu ermitteln. Während die Schweizer Alzheimervereinigung von einer signifikanten Unterversorgung ausgeht – die vorhandenen Plätze deckten 2007 nach ihrer Schätzung nur 12% des Bedarfs – bekunden viele Tagesstätten Mühe, ihre Plätze voll zu belegen. In einer Studie über 17 Tagesstätten in 9 Kantonen im Auftrag der AgeStiftung (Köppel 2015) wiesen 2013 63% der Tagesstrukturen eine Auslastung unter 80% aus, zwei Institutionen hatten sogar eine Auslastung unter 25%. Experten berichten zudem über Tagesstrukturen in einzelnen Kantonen, die nach der Eröffnung von stationären Pflegeeinrichtungen in ihrer Nähe geschlossen haben.
Einerseits zeigen diese anekdotischen Evidenzen, dass Tagesstrukturen durchaus eine Alternative zu stationären Heimen sein können. Bis die Heime eröffneten, boten die Tagesstätten eine wichtige Entlastung. Anderseits dürfte die Auslastung von Tagesstätten durch die Eröffnung von neuen Heimen kaum tangiert werden, wenn man davon ausgeht, dass Menschen lieber ambulant als stationär gepflegt werden möchten. Dies setzt jedoch voraus, dass die Tagesstrukturen auch den qualitativen Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und der pflegenden Angehörigen entsprechen. Nur so bieten sie eine echte Alternative und reduzieren den Bedarf an stationären Plätzen.
Betriebliche Erfolgsfaktoren
Köppel (2015) zeigt in ihrer Studie, dass nebst der Tarifgestaltung betriebliche Faktoren eine wichtige Rolle spielen:
- Lage: Besonders relevant ist weniger die Lage per se, als vielmehr die Erreichbarkeit der Tagesstätte, zum Beispiel mit einem Taxi-Dienst. Auch dürfen die Anreisezeiten nicht zu lang sein, da sonst der Transportaufwand im Verhältnis zur Entlastung der Angehörigen zu gross ist. Die Analyse der geografischen Herkunft der Patienten zeigt, dass eine Anfahrtsdistanz von 35 Minuten eine Obergrenze bildet und damit das Einzugsgebiet definiert.
- Öffnungszeiten: Diese müssen ein gestaffeltes Kommen und Gehen ermöglichen, um die Pflege der Pensionäre durch die Spitex zu Hause zu ermöglichen und die beruflichen Verpflichtungen der pflegenden Angehörigen zu berücksichtigen. Dagegen scheint die Nachfrage nach Wochenenddiensten gering zu sein.
- Angebot: Die Betreuung muss gut auf die Klientel ausgerichtet sein. Im Vergleich zu Pflegeheimen sind Pensionäre in Tagesstätten tendenziell jünger, weniger pflegebedürftig und primär männlich. Dies hat Konsequenzen für die Programmgestaltung und das Anforderungsprofil der Mitarbeiter.
Neben diesen organisatorischen Erfolgsfaktoren für den Betrieb von Tagesstrukturen spielt die Preisgestaltung eine besonders wichtige Rolle. Sie hängt wiederum von den Finanzierungsmöglichkeiten ab, die je nach Kanton unterschiedlich sind. Sollen Subventionen für Tagesstrukturen überhaupt gewährt werden? Und wenn ja, wie sollten sie am sinnvollsten gestaltet sein?
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