«Den Restaurants fehlt das Personal» – solche Aussagen waren in den vergangenen Monaten immer öfter in den Medien anzutreffen. Jetzt, wo die behördlichen Einschränkungen zunehmend aufgehoben wurden und sich die Wirtschaft auf Erholungskurs befindet, bekunden manche Branchen Mühe, geeignete Fachkräfte zu finden.

Doch nicht nur anekdotische Evidenz, sondern auch die Betrachtung der Beveridge-Kurve deutet darauf hin, dass es schwieriger geworden ist, ausgeschriebene Jobs zu besetzen: Diese Kurve zeigt das Verhältnis zwischen der Quote der offenen Stellen und der Arbeitslosenquote. Sie ist im Allgemeinen abfallend, was bedeutet, dass die Anzahl der offenen Stellen tendenziell höher ist, wenn die Arbeitslosenquote niedriger ist – was typischerweise mit einer Phase guter Konjunktur übereinstimmt. Das umgekehrte Muster tritt in der Regel während einer Rezession auf. Dabei handelt es sich um eine der robustesten Gesetzmässigkeiten in den Wirtschaftswissenschaften, da sie in verschiedenen Zeiträumen, länderübergreifend und auf gesamtwirtschaftlicher Ebene wie auch für einzelne Sektoren gilt.

Die Beveridge-Kurve verschiebt sich nach aussen

Die Lage der Kurve gibt einen Hinweis darauf, wie effizient sich die Besetzung von offenen Stellen am Arbeitsmarkt gestaltet: Je näher die Kurve am Achsenursprung liegt, desto besser funktionieren die Reallokationsprozesse. In nachfolgender Grafik wird anhand von Quartalsdaten jeweils eine Beveridge-Kurve für den Zeitraum vor (schwarz) und während der Pandemie (violett) dargestellt.

Dabei zeigt sich, dass sich die Kurve im Verlauf der Pandemie nach rechts verschoben hat, was bedeutet, dass für die gleiche Anzahl offener Stellen mehr Arbeitslose zur Verfügung stehen als vor Corona.

Andererseits wurde die Kurve auch steiler: Die Unternehmen müssen also nicht nur mehr offene Stellen ausschreiben, um eine bestimmte Arbeitslosenquote aufrechtzuerhalten, sondern jeder Rückgang der Arbeitslosenquote erfordert auch einen grösseren Anstieg der offenen Stellen. Das «Matching» zwischen Arbeitslosen und ausgeschriebenen Jobs scheint sich also während der Pandemie verschlechtert zu haben. Ein ähnliches Muster – jedoch ausgeprägter – ist auch in den USA zu beobachten.

Wie ist die Verschiebung zu erklären?

Worauf ist diese schlechtere Vermittlungseffizienz zurückzuführen? Erstens braucht es jeweils Zeit, bis die ausgeschriebenen Stellen während der Phase der wirtschaftlichen Erholung besetzt werden können. Gerade weil die Branchen in sehr unterschiedlichem Ausmass von Covid-19 betroffen sind, ist die fehlende Übereinstimmung zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikation momentan ausgeprägt. Verliert zum Beispiel eine Kulturschaffende aufgrund der Pandemie ihren Job, kann sie nicht ohne weiteres für jede Stelle in der IT- oder Gesundheitsbranche eingesetzt werden.

Doch mag auch die Ausweitung der maximal gewährten Taggelder bei der Arbeitslosenversicherung sowie weitere staatliche Unterstützungsmassnahmen die Rekrutierungsphase zusätzlich erschwert haben. Auch deshalb ist nun eine Rückkehr zum regulären System angebracht.

Noch ist unklar, ob und wie schnell sich die Beveridge-Kurve wieder in Richtung Achsenursprung verschieben wird. Dass es für Unternehmen aufgrund der Pandemie schwieriger geworden ist, offene Stellen zu besetzen, bedeutet auch, dass sie immer stärker um passendes Personal konkurrieren müssen. Sie werden nicht darum herumkommen, bald mit besseren Arbeitsbedingungen oder höheren Löhnen um Stellensuchende zu werben.

Weiterführende Informationen finden Sie in unserer Publikation «Voll fit? – Die Folgen der Corona-Pandemie für den Schweizer Arbeitsmarkt».