«Alles aus Liebe», so heisst einer der grossen Hits der Toten Hosen. Das Lied handelt von ausartender Zuneigung und endet im Tod des geliebten Objekts. Über zwanzig Jahre ist es her, als die Zeilen das erste Mal über den Äther trällerten, doch wer die Debatten der laufenden Herbstsession verfolgte, der mag innerlich die eingängige Melodie wieder gesummt haben. So haben Parlamentarier, die sich bisher kaum durch Wirtschaftsfreundlichkeit hervorgetan haben, plötzlich eine Liebe für das Unternehmertum entdeckt.

«Grundeinkommen für Selbständige»

Konkret geht es um staatliche Hilfen für Corona-geschädigte Unternehmer. Der Bundesrat möchte nur jenen Unternehmern Erwerbsersatz zahlen, die einen Betrieb wegen behördlichen Massnahmen schliessen mussten. Bei besonders betroffenen Branchen sollen Kantone zusätzliche Gelder sprechen können, müssen dafür aber auch eigene Mittel aufwenden. Das Parlament will nun viel weitergehen – so weit, dass der Vertreter des Bundesrats gar von «einem bedingungslosen Grundeinkommen für Selbständige» sprach.

Unbestritten ist, dass in der ersten Phase der Corona-Krise mit dem Lockdown rasche und unbürokratische Hilfe nötig war. Darunter fällt ein unmittelbarer Einsatz der Kurzarbeit, Garantien für Liquiditätskredite, sowie Erwerbsersatzzahlungen an betroffene Selbständige.

Unternehmer brauchen in einer aussergewöhnlichen Notsituation Unterstützung wie andere gesellschaftliche Akteure auch. Doch weshalb sollte plötzlich ein «Grundeinkommen» über längere Zeit von Nöten sein? Die einst notwendigen Notfallmassnahmen auszubauen, in reguläres Recht zu überführen und zu perpetuieren schiesst weit über das Ziel hinaus.

Liebe aus dem Portemonnaie? Wem das Unternehmertum am Herzen liegt, setzt sich für wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen ein. (GM Unsplash)

Auffangnetz richtig spannen

Unternehmer gelten als die Schlüsselakteure des Kapitalismus. Ihnen hat der österreichisch-amerikanische Ökonom Joseph Schumpeter einst die Rolle der «schöpferischen Zerstörer» zugesprochen. Unternehmer treiben mit grossen und kleinen Innovationen wie der Jeans, dem Traktor oder dem Mobiltelefon den Fortschritt voran und schaffen Mehrwert. Dadurch ist der Wohlstand stetig gewachsen, was soziale Errungenschaften wie beispielsweise eine Altersvorsorge oder die Arbeitslosenversicherung erst zu finanzieren ermöglichte. In der Folge hat sich – ebenfalls von Schumpeter vorhergesehen – der Kapitalismus langsam, aber stetig gewandelt.

Die Wirtschaftsform, in der wir heute leben, wird denn auch als soziale Marktwirtschaft bezeichnet. Diese besteht nicht nur aus zwei Wörtern, sie kennt auch zwei Seiten. Auf der einen steht die soziale Seite, in der die Gesellschaft in Form staatlicher Institutionen ein Auffangnetz aufspannt, um persönliche Härtefälle zu verhindern. Auf der anderen Seite steht die Marktwirtschaft, der Teil mit der schöpferischen Zerstörung. Hier entdecken Unternehmer Neues, treiben Innovationen voran und schaffen so einen gesellschaftlichen Mehrwert.

Die soziale Marktwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt und uns sowohl Wohlstand als auch soziale Sicherheit beschert. Die neu entdeckte Liebe für das Unternehmertum unterwandert aber dieses Konzept: Spannt man das Auffangnetz plötzlich um den Seiltänzer, kann dieser sich nicht mehr frei bewegen. Damit die soziale Marktwirtschaft auch in Zukunft funktioniert, dürfen die beiden Seiten nicht miteinander verwoben werden.

Ausnahmesituation und «neue Normalität» auseinanderhalten

Wie jede Versicherung verzerren auch Sozialversicherungen Anreize und bieten Anlass für Betrug. Der Gesetzgeber tut daher gut daran, sich auf das ursprüngliche Ziel der Absicherung von Härtefällen zu beschränken. Damit werden Anreize nur wenig verzerrt und Möglichkeiten für Betrug werden eingeschränkt.

Geht der Gesetzgeber wegen der Coronakrise aber plötzlich so weit, ein «Grundeinkommen für Selbständige» zu sprechen, öffnet das nicht nur betrügerischen Machenschaften Tür und Tor, sondern es verzerrt auch den Anreiz von Unternehmern, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten den neuen gesellschaftlichen Begebenheiten anzupassen. Das ist die Kehrseite des politischen Willens, die Wirtschaft «einzufrieren» – ein Konzept, dass gerade über längere Zeit zunehmend in Konflikt mit den natürlichen wirtschaftlichen Transformationsprozessen gerät.

Klar ist die Corona-Krise aussergewöhnlich. Gewisse aussergewöhnliche Massnahmen waren und sind deshalb unumgänglich. Doch dabei muss es immer um die Bewältigung der akuten Krisensituation gehen, nicht um das Entwerfen einer «neuen Normalität»: Es gibt keinen Anlass, die Grundprinzipien des liberalen Erfolgsmodells Schweiz über Bord zu werfen.

Wem also das Unternehmertum am Herzen liegt, setzt sich für wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen ein. Der Einsatz von Steuergeldern für eine langfristige und direkte Unterstützung von Selbständigen und Firmen ist hingegen eine Form der erdrückenden Liebe – und wie die Toten Hosen bereits vor über zwanzig Jahren warnten: Dieses Märchen wird nicht gut ausgehen.