Nordwesteuropa ist ein attraktiver Markt. Dies haben auch viele Schweizer Unternehmen erkannt. Der Bestand an Direktinvestitionen insbesondere in den Niederlanden, in Luxemburg und im Vereinigten Königreich betragen jeweils über 100 Mrd. Franken, etwas geringer sind sie in Irland und Belgien. Entsprechend dynamisch ist die Entwicklung der Warenexporte in diese Länder.

Grösster Exportmarkt für Schweizer Unternehmen in Nordwesteuropa war 2021 das Vereinigte Königreich. Doch das Handelsvolumen nimmt seit 2015 ab, während die anderen Märkte stabil blieben oder an Bedeutung zunahmen, wie beispielsweise die Niederlande.

Dies reflektiert – zumindest teilweise – die Unsicherheiten im Zuge des Brexits. Inzwischen dürfte sich die Situation gebessert haben: Im Rahmen der bundesrätlichen «Mind the Gap»-Strategie haben die Schweiz und das UK insgesamt fünf Abkommen unterzeichnet, darunter einen Handelsvertrag, der seit Anfang 2021 in Kraft ist. Er soll das bisherige bilaterale Verhältnis im Rahmen der Schweiz-EU-Beziehungen bestmöglich replizieren. Immerhin ist das Vereinigte Königreich weltweit der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz – nach der EU-27 und den USA.

Grösster Exportmarkt für Schweizer Unternehmen in Nordwesteuropa war 2021 das Vereinigte Königreich. Doch das Handelsvolumen nimmt seit 2015 ab. (Alevision, Unsplash)

Wichtig ist nicht nur, den Bestand abzusichern, sondern möglichst auch weiterzuentwickeln. Zu denken ist an ein umfassendes Finanzdienstleistungsabkommen, um die Finanzplätze im weltweiten Wettbewerb zu stärken. Ebenso anzupacken ist die rasche Verbesserung der Forschungskooperation unter den jeweils führenden Universitäten. Dabei kann es aus Sicht der Schweiz jedoch nicht um ein «UK statt EU» gehen, sondern um ein Sowohl-als-auch. Diesbezüglich stehen die Zeichen aber auf Sturm, insbesondere seit der Bundesrat 2021 entschieden hat, die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen abzubrechen.

So kann die Schweiz nur noch als Drittstaat am EU-Forschungsprogramm Horizon Europe teilnehmen, das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse (MRA) wurde nicht aktualisiert und verkompliziert den Marktzugang der bedeutenden Schweizer Medtech-Industrie. Zusätzlich wird das Schweizer Übertragungsnetz durch ungeplante Stromflüsse aus der EU immer stärker belastet, weil entsprechende Vereinbarungen fehlen. Der regulatorische Graben zwischen dem sich sukzessive vertiefenden Binnenmarkt und den statischen bilateralen Verträgen wird grösser, das Verhältnis Schweiz–EU erodiert.

Als aussenhandelsorientierte, mittelgrosse Volkswirtschaft ist die Schweiz auf offene Märkte, Rechtssicherheit sowie die Vorhersehbarkeit eines regelbasierten Weltwirtschaftssystems angewiesen. Doch der multilaterale Rahmen dafür schwindet, zusätzlich konfrontieren die Spannungen zwischen den USA und China die Schweiz und ihre exportorientierten Unternehmen mit weiteren Unsicherheiten.

Zu einer prosperierenden Schweiz gehört die politische Absicherung und der Ausbau des Zugangs zu ausländischen Märkten. Dies sichert nicht nur Wertschöpfung und Arbeitsplätze, sondern trägt auch zur Versorgungssicherheit bei, indem Bezugsquellen diversifiziert und eingespielt werden. Dies ist nicht nur in der aktuellen Krise entscheidend. Die Beziehungen zu den nordwesteuropäischen Ländern sind ein Startpunkt, die Offenheit als aussenwirtschaftliches Leitmotiv der Schweiz gilt es grundsätzlich weltweit umzusetzen.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 2/22 des «Swiss Export Journal» erschienen.